Was ist Schönheit?
Oder 7 ermutigende Thesen zum Sorgenthema Nummer Eins
Klar wissen wir alle, dass es nicht auf das Aussehen, sondern
auf den Charakter ankommt. Der Kern macht´s, der unter der
appetitlichen Schale steckt.
Wir wissen ebenfalls, dass Schönheit ein vergängliches Gut ist.
Dass wir alle, auch wenn das Alter jetzt noch Ewigkeiten
entfernt zu sein scheint, wir faltig, schlaff, kahlköpfig,
zahnlos und vermutlich auch dicker werden.
Und doch tanzen wir trotz besseren Wissens um das goldene Kalb,
das da Schönheitsideal heißt und eine ganze Industrie unterhält:
Mode, Diätprodukte, Friseure, Beautyfarmen, Fitnesscenter,
Kosmetikfirmen und immer häufiger auch Schönheitschirurgen.
Und weshalb der ganze Zirkus?
Weil wir schön sein wollen.
Leider machen wir uns mit dem Hinterherhecheln nach unserem
persönlichen Ideal oft das Leben unnötig schwer.
Vielleicht helfen dir die folgenden Thesen dabei, dir etwas von
dem Schönheits-Stress zu nehmen. Damit du dir künftig nicht
ununterbrochen Sorgen um dein Aussehen machst.
Einmal täglich reicht doch völlig, oder...?
1. Allgemeingültige Schönheitsmerkmale gibt es nicht
Das Problem zeigt sich doch schon bei den zweifelhaften
Misswahlen. So viel geballte Schönheit lässt gerechte Urteile
gar nicht erst zu. Wie kommt es sonst, dass mir die
Drittplatzierte immer am besten gefällt? Schönheit lässt sich
nun mal nicht objektiv bewerten, denn das, was jeder Einzelne
von uns unter Schönheit versteht ist eben nicht einheitlich. Die
einen stehen auf dunkle Locken, die anderen auf platinblondes
Engelshaar. Zerbrechliche Kindfrau oder sinnliches Vollblutweib?
Blaue oder braune Augen? Vollbart oder glatt? Muskelprotz oder
Normalo? Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen, das
Ergebnis wäre stets das Gleiche: Die Geschmäcker der Gestecker
lassen sich nicht unter einen Hut bringen. Was ja auch weniger
langweilig ist. Oder möchtest du von lauter identischen
Barbie-Frauen und Arnie-Männern umgeben sein? Nebenbei bemerkt
gibt es auch zwischen den einzelen Nationen völlig
unterschiedliche Schönheitsideale. Die eine, einzig wahre
Schönheit auf Erden gibt es also nicht! Zum Glück.
Welche Erkenntnis nehmen wir mit?
Dass sich über Schönheit nun mal nicht streiten lässt und jedes
körperliche Merkmal seine Kundschaft hat...
2. Männlein und Weiblein sehen Schönheit unterschiedlich
In meiner Jugend machte ich zwei interessante Erfahrungen, die
mich nicht nur nachdenklich machten, sondern gleichzeitig auch
aufatmen ließen.
Szene 1: Ich sitze zusammen mit meinem Bruder in einem
Straßencafé und wir beobachten die vorbei laufenden Fußgänger.
Irgendwie kamen wir auf das Thema Schönheit zu sprechen und ich
zeigte meinem Bruder drei Frauen, die meiner Meinung nach
umwerfend aussahen. Er fand sie weniger spannend. Umgekehrt das
gleiche Ergebnis. "Seine" Beautys fand ich wiederum nicht so
toll. Bei den Kerlen war es ähnlich. Die Typen, die mir
gefielen, fand er nur durchschnittlich und umgekehrt.
Szene 2: Ähnliches Thema, diesmal jedoch mit einem
Klassenkameraden. Wir zählten uns dabei gegenseitig die drei
hübschesten Mädchen und Jungen unserer Jahrgangsstufe auf und
hatten nicht eine einzige Übereinstimmung!
Was ich daraus gelernt habe?
Dass die Mädchen, die ich um ihre Schönheit beneide, bei den
Jungen nicht unbedingt die besseren Karten haben müssen...
3. Das Schönheitsiedeal verändert sich ständig
Und das auch noch immer schneller. Wer kennt nicht die Gemälde
von Rubens, der mehr als üppige nackte Frauen auf die Leinwand
bannte. Weil sie eben dem barocken Schönheitsideal entsprachen,
worüber wir heute eher verständnislos den Kopf schütteln. Im 20.
Jahhundert waren es die blonden Haare Marilyn Monroes, die
sinnlichen Kurven Brigitte Bardots und dann die magere Figur des
berühmten Fotomodells Twiggy, welche die Damenwelt zu kopieren
versuchte. Inzwischen ist der knochige Stella-Tennant-Typ auch
schon wieder out und wohlgerundete Frauen wie Laetitia Casta
angesagt.
Was lehrt uns also die (Schönheits-) Geschichte?
Dass das heutige Schönheitsideal morgen schon wieder
Vergangenheit sein wird und es daher wenig Sinn macht, den
vermeintlichen Idealen nachzueifern...
4. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
"Die Schönheit ist ein gewisser Zusammenklang, Harmonie der
einzelnen Teile und Glieder, so dass ohne Schaden nichts
hinzugefügt, nichts weggenommen werden kann." (Jean Battista
Alberti)
Weise Worte eines klugen Mannes. Denn allein die Tatsache, dass
"mann" breite Schultern und dunkle Locken oder "frau" eine
schmale Taille und lange Beine - eben typische
Schönheitsattribute, die dem jeweiligen Geschlecht zugeschrieben
werden - hat, heißt noch lange nicht, dass die betreffende
Person auch schön ist. Da gehört schon etwas mehr dazu. Etwa
Ausstrahlung, Stil, Selbsbewusstsein u.a. wenig greifbare Dinge.
Ein scheinbar perfektes Aussehen macht noch lange keine
Schönheit aus.
Oder würdest du etwa Schaufensterpuppen als schön bezeichnen?!?
Und welche Erkenntnis nehmen wir nun aus obiger Feststellung
mit?
Richtig! Dass wir uns nicht auf unsere Oberweite bzw. Muckis
reduzieren lassen, sondern uns verstärkt auf unsere
Persönlichkeit besinnen...
5. Theorie und Praxis sind zwei paar Stiefel
Nach meiner eigenen Erfahrung kann ich mich nur noch über die
so oft gestellte Frage amüsieren, auf welchen Typ Mädchen oder
Junge man denn steht. Mädchen schwärmen dann mit verzücktem
Blick von smarten Tom-Cruise-Typen oder muskelbepackten
Dolph-Lundgren-Kopien. Jungen wiederum von drallen
Pamela-Anderson-Puppen oder rassigen Jennifer-Lopez-Latinas. Ich
war da beileibe keine Ausnahme! Ich träumte immer von dunklen
Latin-Lovers und hatte mit schöner Regelmäßigkeit blasse
Blondies an meiner Seite. Weil es plötzlich gar nicht mehr so
sehr auf das Aussehen ankommt, wenn der Blitz einschlägt, die
Chemie stimmt und einen ähnliche Interessen verbinden.
Was uns eine weitere Schlussfolgerung ziehen lässt:
Dass das Traumbild eines Partners in der Wirklichkeit oft eine
andere Gestalt annimmt und nicht den Blick für das Wesentliche
verstellen kann bzw. soll...
6. Schönheit ist nur bedingt "machbar"
Warum nur sieht eine Frau nach einer Schönheitsoperation nicht
automatisch auch schöner aus? Wo sie doch den heiß ersehnten
Wunschbusen, die Traumnase und die Idealbäckchen bekommen hat?
Die Antwort liegt auf der Hand. Entweder stört das neue Teil
den bisherigen harmonischen Gesamteindruck, weil Künstlichkeit
immer auch künstlich wirkt, oder die fehlende Schönheit liegt
ganz woanders verborgen, wo das Skalpell nicht hinkommt.
Beispielsweise im fehlenden Selbstbewusstsein und der
entsprechend weniger attraktiven Ausstrahlung. Nicht umsonst
steckt in dem Begiff Ausstrahlung das Wort "Strahlen". Oder
können Brüste etwa strahlen?
Womit wir wieder um eine Erkenntnis reicher geworden sind:
Dass die Natur das Gesamtkunstwerk Mensch in jedem einzelnen
Exemplar auf ganz spezielle Weise schön gestaltet, so dass
Eingriffe von außen (im Gegensatz zum Betonen der vorhandenen
Attribute!) nicht unbedingt eine Verbesserung darstellen
müssen...
7. Wahre Schönheit kommt von Innen
Yeah. Und darum sind verliebte und schwangere Frauen auch die
schönsten. Was im ersten Punkt natürlich auch auf die Herren der
Schöpfung zutrifft. Glückliche Menschen strahlen im wahrsten
Sinne des Wortes von innen. Und wirken daher schön. Auch gesunde
Ernährung, seelische Ausgeglichenheit und Zufriedenheit sind
heimliche, aber überaus wirkungsvolle Schönmacher.
Denke also in Zukunft immer daran, dass du dich um dein
allgemeines Wohlbefinden sorgst, denn dadurch tust du immer auch
was für deine Schönheit....
Zum Schluss gibt´s noch einen tollen Spruch von Onkel Goethe
zum Nachdenken:
"Das einfach Schöne soll der Kenner schätzen.
Verziertes aber spricht der Menge zu."
© 2000 Anja Gerstberger
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