Magersucht

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Typische Familiensituationen
Körperliche und psychische Folgen
Behandlung
Hilfsmöglichkeiten
Schädliche Kommentare
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Was ist Magersucht?

Magersucht (Anorexie) ist eine gefährliche Essstörung, bei der sich die Erkrankten buchstäblich zu Tode hungern. Diese schwere Krankheit betrifft vor allem Mädchen (ihr Anteil liegt bei 95%) in der Pubertät und muss unbedingt ärztlich und psychologisch behandelt werden.

Magersucht zählt deswegen zu den "Süchten“, weil bei ihr ein bestimmtes Verhalten, nämlich das Fasten (Kontrolle über das Essen bzw. den Körper und Gewichtsverlust) als "Suchtmittel“ benutzt wird.

Magersucht ist keine organische Erkrankung, sondern eine Erkrankung der Seele, die jedoch zu Körperveränderungen und schädlichen organischen Auswirkungen führt.


Was sind die Ursachen für diese Krankheit?

Gerade junge Mädchen in der Pubertät sind, wenn es um ihr Aussehen geht, ziemlich verunsichert. Ihr Körper verändert sich und sie sind nicht immer glücklich darüber bzw. fühlen sich unwohl dabei.

Verstärkt werden ihre Selbstzweifel dann zusätzlich durch die vielen schönen Superfrauen und Fotomodelle, die ihnen in der Werbung, in Zeitschriften und in Fernsehserien mit ihren langen Beinen, tollen Busen, schmalen Hüften und makellosem Teint die eigenen körperlichen „Makel“ gnadenlos vor Augen führen. Umgeben von so viel perfekter Schönheit fühlt sich dann so manches Mädchen als hässliches Entlein und vor allem viel zu dick. Sie will auch so schlank und begehrenswert wie ihre Hochglanzvorbilder sein und eifert ihnen nach, ohne zu merken, dass die Normalfrau und das Durchschnittsmädchen neben ihr auch nicht diesem Schönheitsideal entsprechen.

Da sie dünner werden will, macht sie nun eine Diät, was häufig sogar mit Wohlwollen bemerkt und bewundert wird, denn in unserer Gesellschaft steht die Sorge um einen schlanken, straffen Körper hoch im Kurs. Hat das Mädchen zu Beginn ihrer Diät tatsächlich ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, wird sie in ihrem Vorhaben erst recht unterstützt und gelobt, wenn die ersten Pfunde purzeln.

Sie selbst ist von ihrem Erfolg begeistert und berauscht sich an dem Hochgefühl, das sie jedesmal überkommt, wenn der Zeiger der Waage immer weiter nach links rückt.

Dabei verpasst sie den Zeitpunkt, rechtzeitig mit dem Abnehmen aufzuhören, und verliert ihr natürliches Wahrnehmungsvermögen. Jetzt fühlt sie sich nämlich immer noch zu dick, obwohl sie längst Normalgewicht erreicht hat. Diese verzerrte Selbstwahrnehmung hört auch dann nicht auf, wenn sie gefährliches Untergewicht erreicht. Der Zeiger wandert nach wie vor nach unten bis in den Bereich von 30 bis 40 kg (je nach Körpergröße) und nicht selten endet die Talfahrt mit einem Zusammenbruch im Krankenhaus, wo das völlig abgemagerte Mädchen dann künstlich ernährt wird, damit es nicht stirbt...

Zusammengefasst entsteht eine Magersucht vorwiegend aus folgenden Gründen:

• Man will schlank sein, um sich und anderen besser zu gefallen.

• Man eifert einem bestimmten, meist übertriebenen Schönheitsideal nach.

• Man verfügt über ein zu geringes Selbstwertgefühl und sucht über das erfolgreiche Fasten nach Bestätigung.

• Man glaubt, wenn man erst mal schlank ist, dann hat man auch Erfolg, dann bekommt man seinen Traummann, dann ist man glücklich, dann klappt alles wie von selbst...

• Man hat Angst vor seiner neuen Rolle als Frau.

• Man hat Probleme damit, wie sich der Körper während der Pubertät verändert, und will den gewohnten Zustand beibehalten, weigert sich einfach körperlich davor, erwachsen zu werden...

• Man möchte (oft unbewusst) die Fürsorge und Aufmerksamkeit der Eltern, die man als Kind so sehr genossen hatte.

• Man benutzt die Flucht in die Sucht als Möglichkeit, sich Problemen und Konflikten zu entziehen oder um Alltagsbelastungen, kritische Ereignisse oder familiäre Belastungen (Streit, Trennung, Alkohol, Gewalt) dadurch zu meistern.

• Man will unbewusst auf die eigene Person aufmerksam machen. Oftmals ist die Magersucht ein Hilferuf nach mehr Beachtung und Liebe.

• Man hat mit Fastenkuren und Diäten herumexperimentiert und dabei die Erfahrung gemacht, dass sich nach einigen Tagen des Hungerns eine Hungereuphorie (man fühlt sich toll und glücklich) einstellt, und will diese schöne Gefühl nun ständig haben.

• Man strebt nach Selbständigkeit und will sich von den anderen abgrenzen, ohne dass man sich dessen eigentlich bewusst ist.


Ein typischer Fall einer Magersucht

Nina fühlt sich zu dick, wenn sie in den Spiegel schaut. Vor allem, wenn sie sich mit Kate Moss, dem Supermodel vergleicht. Kate Moss ist nämlich ihr absolutes Vorbild. Nina trägt schon die gleiche Frisur und versucht, Kates Kleidungsstil zu imitieren. Nur mit der Figur kann sie nicht mithalten. Da muss sie noch viel dünner werden. Nina beginnt eine Diät. Die Diät klappt.

Als sie immer mehr abnimmt, lässt Nina später, als sie nämlich Ärger mit ihrer besorgten Mutter bekommt, einzelne Mahlzeiten ausfallen oder erfindet eine Menge Tricks und Ausreden, um sich vor dem verhassten Essen „drücken“ zu können. So lügt sie wichtige Verabredungen oder Mahlzeiten außer Haus vor oder behauptet, schon gegessen zu haben oder es später in ihrem Zimmer zu tun. Wenn sie Nahrung aufnehmen soll, gerät Nina inzwischen in regelrechte Panik. Ihren knochigen Körper versteckt sie unter extrem weiten Klamotten und vermeidet Situationen (z.B. im Schwimmbad), in denen sie ihr ungesundes Aussehen zur Schau stellen müsste.

Nina zieht sich immer mehr von ihrer Umwelt zurück, vor allem bei Unternehmungen, wo sie in die „Gefahr“ kommen könnte, etwas essen zu müssen...

Je mehr ihre Mitmenschen auf sie einreden, umso entschlossener wird sie in ihrem Vorsatz, kaum mehr etwas oder überhaupt nichts mehr zu essen. In der Endphase ihrer Magersucht sind Tagesrationen von einem Apfel und einem Zwieback bei Nina nichts Ungewöhnliches.

Eines Tages jedoch spielt Ninas gequälter Körper nicht mehr mit. Beim abendlichen Dauerlauf bricht sie zusammen und wird ins Krankenhaus eingeliefert, wo die Ärzte mit künstlicher Ernährung um ihr Leben kämpfen.

Nachdem sie nur knapp dem Tod entronnen ist, akzeptiert Nina endlich ihre Krankheit und begibt sich auf den mühsamen Weg ihrer Heilung.

Nina hat gerade noch einmal Glück gehabt...


Verräterische Anzeichen, die auf eine Magersucht hinweisen können:

Ninas Geschichte steht stellvertretend für viele andere. Außer Ninas beschriebenes Verhalten weisen auch folgende Anzeichen auf eine Magersucht hin (um dich nicht durch den ständigen Gebrauch des Begriffes „Magersucht“ abzuschrecken, nenne ich das betroffene Mädchen einfach Gabi):

• Gabi isst ausschließlich kalorienarme- oder kalorienreduzierte Lebensmittel.

• Gabi kennt sich erstaunlich gut mit dem Kaloriengehalt nahezu aller Nahrungsmittel aus und lässt die „Dickmacher“ natürlich links liegen.

• Gabi legt nicht nur bei ihrer Fasterei, sondern auch in der Schule oder im Sport einen extremen Ehrgeiz an den Tag und fordert von sich immer sehr viel.

• Gabi streitet ab, dass sie krank ist, und zwar so lange, bis es zu einem körperlichen Zusammenbruch kommt.

• Gabi trinkt extrem viel Wasser, um ihr Hungergefühl zu betäuben und nimmt außerdem Abführmittel und Appetitzügler.

• Gabi treibt besonders viel Sport, um noch mehr Kalorien verbrennen zu können und weiter abzunehmen.

• Gabi versteckt ihre dürre Figur im weiten Schlabberlook.

• Gabis gesamter Tagesablauf ist bestimmt von den Gedanken an Kalorien, kalorienarmer Nahrung und Gewichtsverlust.

• Wenn Gabi mal eine Kleinigkeit isst, hat sie dabei ein schlechtes Gewissen.

• Hungern und Abnehmen empfindet Gabi als Leistung.

• Gabi gleicht ihren Hunger aus, indem sie eine Art Versorgungsrolle übernimmt und für ihre Familie kocht (aber selber nichts isst).

• Gabi fühlt sich immer zu dick, selbst mit Untergewicht.

• Gabi verliert ihre Fähigkeit, die Signale ihres Körpers wahrzunehmen, d.h. sie empfindet keinen Hunger mehr.

• Gabi geht auf ungewöhnliche Art und Weise mit ihrem Essen um: sie isst alles mit dem kleinen Löffel, lutscht das Essen, lässt das Essen im Mund zergehen und spuckt es wieder aus, isst Obst mit Messer und Gabel, damit sie länger daran hat...

• Gabi ist oft gereizt und ihre Stimmungen schwanken zwischen Aufgekratztsein und Traurigkeit hin und her.

• Gabi unternimmt kaum noch etwas und zieht sich von ihren Freundinnen und ihrer Familie immer mehr zurück.

• Gabi besitzt nur ein geringes Selbstwertgefühl und leidet unter Minderwertigkeitskomplexen.

• Gabi fühlt sich ihrer Krankheit gegenüber ohnmächtig ausgeliefert.


Solltest du diese Kennzeichen bei dir oder deiner Freundin entdecken, dann suche unbedingt Hilfe! Du brauchst auch keine Angst zu haben oder dich schämen, denn Magersucht ist eine Krankheit wie andere Krankheiten auch und kann geheilt werden!

Lass dir helfen und hilf selber mit!


Gibt es das „typische“ magersüchtige Mädchen?

Mädchen, die unter Magersucht leiden, haben meist die unten angeführten Charaktereigenschaften. Das heißt aber nicht, dass jedes Mädchen mit diesen Eigenschaften zwangsläufig auch an Magersucht erkranken muss!!!

Magersüchtige Mädchen sind meist:

• außerordentlich hartnäckig

• gewissenhaft

• fleißig

• leistungsorientiert

• durchsetzungsfähig

• unbeirrt

• sehr intelligent

• erfolgreich in der Schule

• stark

• tatendurstig

• gefühlsbetont

• gelegentlich schlecht drauf

• nach außen hin bescheiden


Gibt es „typische“ Familiensituationen für magersüchtige Patientinnen?

Oh ja! Die Analyse zahlreicher Krankheitsfälle hat bestimmte Merkmale ergeben, die für die Situationen der betroffenen Familien typisch (aber nicht alle auf einmal, sondern nur einzelne von ihnen!) sind:

• Es wird viel Wert auf Korrektheit, Ordnung und Disziplin gelegt.

• Beim Zeigen von Gefühlen und Austausch von Zärtlichkeiten hält man sich zurück.

• Oft werden Lust und Sinnlichkeit abgelehnt.

• Herkömmliche gesellschaftliche Vorstellungen und Normen sind wichtig und sollen eingehalten werden.

• Die Familie soll nach außen vollkommen sein und die Kinder haben perfekt zu funktionieren und vor allem nicht zu widersprechen.

• Die gemeinsamen Mahlzeiten sind enorm wichtig.

• Es gibt strenge Regeln für das Essen, was nicht selten zu traumatischen (die Seele nimmt Schaden) Erlebnissen führt.

• Die Mütter haben oft zugunsten der Familie auf eine eigene Karriere verzichtet, sind frustriert und wirken nach außen beherrschend.

• Da die Mutter eine übertriebene Fürsorge an den Tag legt, können sich die Kinder nur schwer abnabeln und selbstständig werden.

• Der Vater ist nur selten anwesend, beherrscht aber die Familie mit strenger Kontrolle und Prüfung.

• Der Vater schätzt die traditionelle Frauenrolle (hübsch, gehorsam, selbstlos, aufopfernd) und hält so die Tochter in Unabhängigkeit.

• Zwischen Tochter und Eltern besteht ein zwiespältiges Verhältnis, Gefallsucht und Anhänglichkeit auf der einen, aber Verachtung und Ablehnung auf der anderen Seite.

• Die Tochter soll dem Bild des „lieben Mädchens“ entsprechen.

• Das Selbstwertgefühl ist außenorientiert, d.h. der weibliche Wert wird über einen makellosen Körper, der den Männern gefällt, bestimmt.

• Die Ehe der Eltern ist oft unbefriedigend.

• In der Familie werden hohe Leistungsanforderungen gestellt. Allerdings stärken die erbrachten Leistungen der Kinder nicht deren Selbstwertgefühl, da sie sich um ihrer Leistung, aber nicht um ihrer Person selbst geliebt fühlen, sondern führen zu einem gesteigerten Drang nach Perfektion.


Welche schädlichen Folgen kann Magersucht haben?

Im schlimmsten Fall den Tod, was aber gottlob nach wie vor eher die Ausnahme bleibt.

Doch auch die übrigen negativen Auswirkungen einer Magersucht sind noch übel genug:

Auf den Körper

• Die Körpertemperatur sinkt ab (Frieren, Zittern) und die feine Körperbehaarung (Körperflaum) nimmt zu.

• Der Blutdruck wird niedriger (typisch sind Schwindelgefühle bei schnellem Aufstehen).

• Die Herztätigkeit verringert sich.

• Es kann zu Ohnmachtsanfällen kommen, wenn zu der Überlastung des Herz-Kreislauf-Systems noch eine übermäßige Anstrengung wie extreme sportliche Betätigung dazukommt.

• Die Haut wird trocken und blass.

• Es kann zu Haarausfall kommen.

• Es kann zu Kreislaufschwächen kommen.

• Die Menstruation kommt unregelmäßig oder bleibt ganz aus.

• Es können Schwellungen oder Taubheit an Händen , Füßen oder im Gesicht auftreten.

• Das Magen-Darm-System wird in Mitleidenschaft gezogen, was sich in Anschwellen und Schmerzen äußert.

• Es kommt zu Stoffwechselstörungen und -veränderungen des Hormonspiegels.

• Es kann zu ernsthaften Schäden an Leber, Nieren und Knochen kommen.

• Der Kaloriengrundumsatz geht zurück, d.h. der Körper stellt sich auf die verringerte Nahrungsmenge ein und gibt sich mit weniger zufrieden.

Auf die Psyche:

• Hyperaktivität (ständig Sport, Action, Arbeit),

• Konzentrations- und Schlafstörungen,

• Niedergeschlagenheit,

• Teilnahmslosigkeit,

• Unausgeglichenheit, Launischsein,

• Zwanghaftes Immer-nur-an-das-Essen-denken.



Kann Magersucht geheilt werden?

Ja, aber die Heilung dauert äußerst lange (durchschnittlich vier Jahre!) und erfordert unbedingt die Behandlung durch Spezialisten.

Zunächst schließt der Arzt andere (organische) Ursachen für den Gewichtsverlust aus. Anschließend klärt er dich über die Risiken einer Magersucht auf und berät dich über mögliche Behandlungsmethoden in Spezialkliniken, Selbsthilfegruppen oder mit Hilfe eines Gesprächstherapeuten. Während deiner Behandlung wird er regelmäßig deine körperliche Verfassung überwachen.

Die Behandlung selbst beginnt in der Regel mit einem stationären Klinikaufenthalt von zwei bis vier (nach Bedarf auch mehr) Wochen, bei dem das Gewicht durch eine Spezialernährung angehoben und ein neues, eigentlich „normales“ Essverhalten angebahnt werden soll.

Viel wichtiger als diese Behandlung der Symptome ist jedoch das Erforschen der Ursachen, die am Entstehen der Krankheit schuld sind! Dies erfolgt in Form einer psychiatrischen Behandlung durch einen Facharzt, in Einzel- und Familientherapie, meist als so genannte Gesprächstherapie. Bei diesen Gesprächen versuchen die betroffenen Personen gemeinsam, die vorhandenen Probleme aufzuspüren und für die Zukunft Lösungen für deren Bewältigung zu finden.

Diese Therapiebehandlung geht meist nur sehr langsam voran und kann sich daher über Jahre hinziehen, unter anderem auch deswegen, weil immer auch mit Rückfällen zu rechnen ist.

Während und nach der Behandlung ist die Patientin auf den Rückhalt und die Unterstützung der Personen in ihrem Umfeld (Familie, Freunde) angewiesen. Hilfreich kann auch die Aussprache und das regelmäßige Treffen mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen sein, denn auf diese Weise erfahren sie, dass sie mit ihrer Krankheit kein Einzelfall sind.

Auch nach der Heilung bleibt für die Patienten ein Restrisiko für einen Rückfall bestehen, denn das Essen, die „Droge“ der Magersucht, gehört nun einmal zum Leben dazu und kann nicht einfach weggelassen werden (wie Alkohol, Zigaretten oder Haschisch beispielsweise). Man bleibt ständig der Gefahr ausgesetzt und muss ihr täglich aufs Neue widerstehen...



Wie kann ich einer Magersüchtigen helfen?

Wenn du ein magersüchtiges Mädchen zur Freundin bzw. Schwester hast oder sonstwie eines kennst, aus Schule, Clique, Sport u.ä., dann möchtest du im Umgang mit ihr sicher keine Fehler machen oder ihr in irgend einer Weise schaden, stimmt´s?

Viel lieber würdest du ihr helfen wollen, wenn du nur wüsstest wie. Hier findest du einige Tipps für ein behutsames, unterstützendes Verhalten:

• Informiere dich über diese Krankheit!

• Sei vorsichtig, wenn du deine Freundin/Schwester darauf ansprichst, dass du den Verdacht hegst, sie habe Magersucht! Lege dir zuvor jedes Wort sorgfältig zurecht!

• Wenn sie ärgerlich reagiert und alles abstreitet, dann lass sie in Ruhe! Sage ihr aber, dass du immer für sie da bist, wenn sie mit dir darüber sprechen will!

• Wenn du Angst um ihre Gesundheit hast, sprich mit ihren Eltern oder einem Arzt über deine Sorgen!

• Vermeide jegliche Gespräche zu den Themen Essen oder Gewicht!

• Versichere deiner Freundin/Schwester, dass sie nicht alleine ist und du sie gern hast und dass du ihr, wo immer es dir nur möglich ist, helfen willst!

• Zwing sie niemals, etwas zu essen!

• Sorge dafür, dass sie viel mit anderen Menschen zusammen ist! Eine gute Möglichkeit sind da gemeinsame Unternehmungen.

• Ermutige sie, Hilfe anzunehmen (evtl. Begleitung zur Beratungsstelle oder Selbsthilfegruppe anbieten)!

• Sprich ihr Aussehen und Körpergewicht nicht an!

• Mache ihr keine Vorwürfe!

• Habe Geduld mit ihr!

• Höre zu, wenn sie sich aussprechen will oder dir ihre Gedanken anvertraut!

• Halte dich mit Ratschlägen und Kommentaren zurück (vor allem mit solchen, wie du sie unten finden kannst!)!

• Versuche nicht, den Therapeuten zu spielen! Du bist nämlich keiner!


Welche Kommentare sollte ich mir verkneifen, da sie dem Betroffenen nur schaden?

• „Setz dich einfach hin und iss wie ein normaler Mensch!“

• „Warum tust du mir/uns das an?“

• „Du siehst gut aus, du hast zugenommen.“

• „Machst du Fortschritte?“

• „Ich helfe dir dabei, wieder Fett anzusetzen!“

• „Du siehst fürchterlich aus!“

• „Du ruinierst deine Familie!“

• „Was/wieviel hast du heute gegessen?“

• „Du siehst wieder so gesund aus, nicht mehr so dürr!“

• „Wenn du glaubst fett zu sein, was bin ich denn dann deiner Meinung nach?“

• „Ich wünschte, ich hätte beim Abnehmen deine Disziplin!“

• „Hör auf, dir selber leid zu tun!“

• „In ein paar Monaten ist es ja vorbei!“

• „Ich halte das Theater nicht mehr aus!“

• „Jetzt reiß dich endlich zusammen!“

• „Was sollen bloß die Verwandten/deine Freunde/die Leute von dir/uns denken?“

• „Das machst du nur, weil du im Mittelpunkt stehen willst!“

Was du vor allem brauchst:
Viel Liebe, viel Kraft und ein dickes Fell.
Und unendlich viel Geduld.

Betroffene äußern sich zu ihrer Krankheit

Wenn du dir einmal die folgenden Aussagen von Betroffenen durchliest, bekommst du eine ungefähre Vorstellung, welche Gedanken ihnen durch ihren Kopf gehen und wie sehr sie unter ihrer Erkrankung leiden. Sie brauchen jede nur erdenkliche Hilfe, und vor allem keine blöden Kommentare (siehe oben!)!

• „Ich hatte plötzlich das Gefühl, viel zu dick zu sein. Ich wollte einfach keinen Busen und auch keinen runden Hintern. Mir war so, als starrten mich alle an.“

• „Ständig hat sie/er an mir rumgemäkelt und mir gesagt, ich sei zu fett. Bis ich es irgendwann einmal selbst geglaubt habe. Und abnehmen wollte, viel abnehmen, immer mehr, es war dann wie ein Rausch, und ich konnte nicht mehr aufhören.“

• „Ich bin jeden Abend wie eine Verrückte gejoggt und habe mich hinterher sofort gewogen, um zu gucken, ob die Rennerei einen Erfolg gebracht hat.“

• „Damit das Abnehmen schneller geht, habe ich angefangen, Abführmittel zu schlucken.“

• „Zum Essen ziehe ich mich in mein Zimmer zurück, da darf niemand dabei sein. Dann schneide ich einen halben Apfel und eine halbe Banane in ganz kleine Stücke und esse sie mit Messer und Gabel.“

• "Natürlich nasche ich auch! Ich schleiche mich dann an den Kühlschrank und nasche von den Joghurtbechern. Aber nie mehr als ein Löffelchen. Danach rechne ich immer gleich aus, wieviel Kalorien das jetzt waren, damit ich jetzt bloß nicht zunehme!“

• „Ich habe zwar alles getan, um es zu verheimlichen, aber eigentlich wollte ich, dass sich jemand um mich kümmert und darauf anspricht.“

• „Freunde habe ich keine. Die sind nach und nach alle weg geblieben.“

• „Früher habe ich auch Klavier gespielt und getöpfert. Das habe ich mittlerweile auch gelassen.“

• „Tagsüber habe ich überhaupt nichts gegessen und abends dann 500 Gramm Grießbrei, ganz genau abgewogen, 500 Gramm, kein einziges mehr!“

• „Ab und zu habe ich mir ein paar Kekse erlaubt und heiße Milch mit Wasser und Honig. Wasser, damit es nicht so viele Kalorien sind, und Honig, weil ich so eine Gier nach Süßem hatte. Aber meistens habe ich dann doch lieber Süßstoff genommen, dann hatte ich wenigstens kein schlechtes Gewissen dabei.“

• „Ich bin wie eine Wilde auf meinem Stepper herum geturnt. Als ich einmal 90 Minuten geschafft hatte, musste ich das dann jeden Tag machen, sonst hatte ich das Gefühl, versagt zu haben.“

• „Ich habe die Badezimmertür geölt, damit meine Eltern mich nachts nicht gehört haben, wenn ich auf der Waage mein Abnehmen kontrolliert habe.“

• „Meine Eltern haben das überhaupt nicht kapiert. Ich glaube, die raffen das heute noch nicht, was mit mir los ist.“

• „Ich habe meinen Eltern gegenüber totale Schuldgefühle. Meine Mutter sagt, ich wäre eine Schande für die Familie und ihr wäre das voll peinlich und wie ich ihr das antun könnte!“


Wo finde ich Hilfe und Informationen?

Wenn du Scheu davor hast, dich mit deinem Problem an Eltern, Lehrer, Hausarzt oder Freunde zu wenden, dann ruf bei den unten angeführten Einrichtungen an!

Vielen Menschen fällt es nämlich einem Fremden gegenüber leichter, offen über alles zu reden. Keine Angst, du musst nicht (sofort) deinen Namen nennen, dir wird auf jeden Fall geholfen!!!


• Info-Telefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: 0221/89 20 31

• ANAD e.V. Beratungsinitiative für Essgestörte (Erste Hilfe bekommst du unter der Nummer 089/ 33 38 77)

• OA (Overeaters Anonymous) Tel.: 0421/327224 (unter dieser Nummer bekommst du die Adressen der örtlichen Selbsthilfegruppen)

• Aktionskreis Ess- und Magersucht Cinderella e.V. (089/502 12 11)

• Die Brücke e.V. (Zentrum für Beratung und Psychotherapie, Tel.: 040/ 6683636)

• Dick & Dünn e.V., Kontakt und Beratung bei Essstörungen (030/854994, gibt es in mehreren Städten, im Telefonbuch nachschauen)

• Ess-o-Ess, Beratung für Frauen und Mädchen mit Essstörugen (043152/4241)

• Zentrum für Essstörungen e.V. (052165/929)

• Kabera e.V., Beratung bei Essstörungen (056178/0505)

• Kaskade, Beratung bei Essstörungen e.V. (0551/486905)


Jugendbücher zum Weiterlesen:

• Gunvor Nygaard: Inger oder jede Mahlzeit ist ein Krieg (dtv pocket)

• Anette Schlipper: Gewitter im Bauch. (Ensslin und Laiblin Verlag)

• Susanne Fülscher: Nie mehr Keks und Schokolade (Kerle Verlag)

• Marjaleena Lembcke: Der Schatten des Schmetterlings (Bertelsmann Verlag)

• Maria Hede: Spiegelblicke (Arena Verlag)

• Gerhard Eikenbusch: Und jeden Tag ein Stück weniger von mir (Ravensburger Verlag)

• Marliese Arold: Völlig schwerelos. Miriam ist magersüchtig (Loewes Verlag)

• Brigitte Blobel: Meine schöne Schwester.

© 2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright by MacMillan Inc., verwendet in Lizenz