Der Klügere sagt auch mal Nein!

Beispiele für Jasager
Eigenschaften der Jasager
Nein sagen ist nicht böse
Fallen
Beweggründe
Jasager schaden sich
Wichtig: Klares Nein!
Tipps
Positive Folgen

Lässt du dich regelmäßig zu Gefälligkeiten jeglicher Art breitschlagen und ärgerst dich anschließend über deine Gutmütigkeit?
Oder gehst du lästige Versprechen ein, obwohl du dies im Grunde deines Herzens gar nicht willst?
Und beißt du in möglichen Streitsituationen um des trügerischen Friedens willen lieber die Zähne zusammen, anstatt deine Krallen zu zeigen?
Zustimmend genickt und wiedererkannt?
Dann lies unbedingt weiter, damit du künftig nicht mehr so oft in die Ja-Falle tappst und lernst, auch mal ruhigen Gewissens Nein zu sagen...


Beispiele für Ja-Sager

 "Natürlich habe ich Lust! Bis später!" Bevor Carolin noch den Hörer auf die Gabel gelegt hat, bereut sie bereits, ihrem Freund Thomas die Zusage gegeben zu haben, mit ihm in den neuen Stallone-Film zu gehen. Denn eigentlich hasst sie Action-Filme wie die Pest.

 Steffen wird bei jeder Schmeichelei seiner Kumpels schwach und verleiht ihnen aufs Neue seine CDs und Computerspiele, die er meist Ewigkeiten später und sichtlich ramponiert zurückbekommt. Wenn überhaupt.

 Denise spielt nahezu jeden Samstagabend den Babysitter für die Kleinen ihrer älte-ren Schwester, damit diese mit ihrem Mann ausgehen und sich amüsieren kann. Im Gegensatz zu Denise selbst, die sich gelangweilt die soundsovielte Wiederholung eines mäßig interessanten Spielfilms anschaut und in Gedanken bei ihren Freun-dinnen ist, die zur gleichen Zeit in den angesagtesten Discos der Stadt abhotten.

Carolin, Steffen und Denise sind typische Jasager.


Typische Jasager

Auf den ersten Blick erscheinen die Eigenschaften der typischen Jasager durchaus po-sitiv, sie sind brav, zuverlässig, hilfsbereit, harmoniebedürftig, willig, anpassungsfähig und nett. Nett ist doch toll, nett will ja jeder sein. Vorsicht! Wer sooo lieb und nett ist, wirkt nach außen leider häufig auch langweilig und gibt eine wenig interessante Persön-lichkeit ab!

Nein sagen ist nicht böse!

Egoistisch sein und böse sein sind immer noch zwei Paar Stiefel! Auch wenn uns liebe Mitmenschen mit geschickten Manipulationsversuchen vom Gegenteil überzeugen und uns ein schlechtes Gewissen machen wollen. Übrigens eine beliebte Taktik (Näheres siehe unten)!

Egoismus ist nur dann abzulehnen, wenn er "pur" daherkommt, also auf Kosten anderer Menschen geht. Dem treuen Kumpel das gemeinsame Referat aufzudrücken und sich ein schönes Wochenende mit der Freundin zu machen, ist selbstsüchtig und rücksichts-los.

Gelegentliche Ego-Trips sind jedoch dann wichtig und absolut richtig, wenn es um dein persönliches Wohlbefinden geht. Wenn du dir etwas Unangenehmes ersparst, ohne an-deren damit zu schaden. Eine ungeliebte Monopoly-Runde wird die Clique auch mal oh-ne deine Anwesenheit überleben, oder?

Fiese Fallen

Manch liebenswerte Zeitgenossen legen unbewusst, die gewieften auch ganz gezielt, gemeine Schlingen aus, mit denen sie ihre gutmütigen Mitmenschen einfangen.

Die beliebtesten Vorgehensweisen dabei sind:

Schmeicheln:

 Kannst du für die Fete nicht wieder die Salate, Dekoration usw. übernehmen? Keine bekommt die so toll hin wie du! Kein Wunder, schließlich kostet dich das ja etliche Stunden...

 Lässt du mich in der Algebra-Probe wieder abschreiben? Wo du doch so ein Mathe-As bist! Und ein professioneller Nachhilfelehrer würde eine gehörige Stange Geld von deinen Alten bekommen, wenn du dank ihm den Klassenerhalt gerade so schaffst...

Erpressen:

Die mit Abstand fieseste Masche. Liebe und Freundschaft sind kein Tauschgeschäft nach dem Motto "Wenn du mir beim Aufräumen hilfst, kann ich noch mit dir zum Schwim-men gehen" oder "Wenn du nicht einmal zu einer winzigen Notlüge bereit bist, dann kann es mit deiner Freundschaft zu mir nicht besonders weit her sein!" Mit der des Anklägers allerdings noch weniger! Achtung, erfahrungsgemäß nehmen derartige "Freund-schaftsbeweise" immer größere und für dich unangenehmere Ausmaße an!

Schuldgefühle hervorrufen:

Eine besonders beliebte Taktik in der Verwandtschaft, vorzugsweise der weiblichen der reiferen Jahrgänge. "In der Goethestraße haben sie gestern eine alte Frau gefunden, die mehr als vier Wochen tot in ihrer Wohnung lag, weil niemand nach ihr geschaut hat!", presst die Oma mit zusammengekniffenen Lippen hervor und drückt eine vor-wurfs-volle Träne ins Auge, als du ihr erklärst, dass du diesen Sonntag einmal nicht zur gewohnten Kaffeestunde kommen kannst, weil du zum ersten Mal bei den Eltern deiner neuen Freundin eingeladen bist. Bleib standhaft, denn schließlich hast du ebenfalls ein Recht auf ein angenehmes Privatleben und besuchst deine Oma ohnehin viel häufiger, als es deine lieben Geschwister oder Cousins tun!


Warum viele Ja sagen, obwohl sie Nein denken

Du fragst dich, wie man nur so blöde sein und sich ständig ausnutzen lassen kann?

Nun, die unfreiwilligen Jasager verfügen häufig über sehr wenig Selbstbewusstsein und versuchen daher, sämtlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, weil sie nicht auffallen, sich ausgrenzen oder gar unbeliebt machen wollen. Da sie niemandem weh tun können, halten sie überlebte Verpflichtungen selbst dann noch ein, wenn sie der langjährigen Brieffreundin wirklich nichts mehr zu sagen haben oder sie und ihre Busenfreundin sich längst auseinander entwickelt haben. Oder ihnen verschafft ein leicht dahingesagtes, aber halbherziges Ja endlich die ersehnte Ruhe, jedoch nur kurz-fristig, denn die Zusage muss ja eingelöst werden! Jasager wollen es allen Leuten recht machen (ein aussichtsloses Unterfangen!), wollen Everybody´s Darling sein und werden so leider nur Everbody´s Depp! Nicht umsonst hat man das bekannte Sprichwort abge-wandelt: Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist!

Weshalb brave Jasager sich schaden

Jasager bezahlen einen hohen Preis für ihre scheinbare Ruhe und Beliebtheit! Sie ver-leugnen ihr Ich und ihre Persönlichkeit, indem sie die eigenen Wünsche hinter denen der anderen zurückstellen. Auf diese Weise stellen sie zwar ihre Mitmenschen zufrie-den, machen sich selbst aber unglücklich. Wer ständig nachgibt und klaglos schluckt, fordert es geradezu heraus, sich ausnutzen zu lassen! Du brauchst keine Rücksicht-nahme von deinen Mitmenschen erwarten, wenn sie bei dir bisher nie auf Widerstand gestoßen sind! Wieso sollte dein Kumpel seine Lateinübersetzungen plötzlich selber machen, wenn du ihm jeden Morgen wortlos dein Heft zum Abschreiben rüberschiebst?

Ein klares Nein muss sein!

Wenn du etwas nicht möchtest, dann gib das deinem Gegenüber klar und deutlich zu verstehen! Ein "dafür habe ich keine Zeit" oder "dazu habe ich keine Lust" ist völlig okay. Und wesentlich ehrlicher, als mit faulen Ausreden wie "ich muss zum Geburtstag meiner Tante" zu kommen. Notlügen werden meist leicht als solche erkannt und können pein-lich enden, wenn du der Mutter deiner Freundin im Supermarkt begegnest, während du eigentlich beim Zahnarzt sitzen solltest...

Tipps für künftige Neinsager

 Horche bei jeder Entscheidung in dich hinein und beachte dein "Frühwarnsystem"! Verspürst du ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend, überfällt dich eine un-be-stimmte Unruhe oder möchtest du am liebsten davonlaufen, nachdem du deine Zu-stimmung gegeben hast? Dann war deine Entscheidung für dich sicher falsch! Von einem überzeugten Ja haben alle Beteiligten mehr! Oder glaubst du, deine Freundin findet es toll, wenn du mit missmutigem Gesichtsausdruck und offen-sicht-lich ohne jegliche Lust mit ihr Minigolf spielst?

 Übe das Nein sagen zunächst bei Personen, mit denen du kein enges Verhältnis hast! Sag dem Kellner ruhig, dass deine Pizza eiskalt war, oder der Verkäuferin, dass unter den zahllosen Schuhen, die sie für dich herbeigeschleppt hat, nichts dabei ist, was dir gefällt!

 Ein Nein bleibt ein Nein! Lass dich nicht durch hartnäckiges Betteln oder hinterlistige Erpressungsversuche dazu erweichen, von deiner getroffenen Entscheidung abzu-rücken! Damit es dir leichter fällt, sei dir am Anfang die "Verschiebe-Taktik" erlaubt: Du hast zwar heute keine Lust aufs Schlittschuhfahren, hältst dir aber den über-näch-sten Mittwoch frei...

 Biete deinem Gegenüber einen Kompromiss an! Du willst zum Italiener, dein Freund zum Griechen? Und keiner gibt nach? Wie wär´s dann mit einem Essen beim Chine-sen? Sich in der Mitte zu treffen, empfindet man nicht als Niederlage und kann sogar zu einem Sieg werden nämlich dann, wenn sich die anfängliche "Behelfslösung" wi-der Erwarten als überraschend guter Glücksfall herausstellt...

Ein Nein wirkt Wunder!

Du wirst staunen, was so ein "einfaches" Nein alles bewirken kann!

Ein Nein

zeigt deine echten Freunde:

Wahrscheinlich glauben deine Freunde zunächst, du hättest ausnahmsweise einen schlechten Tag, wenn du dich weigerst, die gewohnte Verpflichtung zu übernehmen.

Möglicherweise provoziert dein Nein sogar ein Streit mit nachfolgender Funkstille. Nachdem Jochen von Marco seine kaputte CD ersetzt haben wollte und den entspre-chenden Geldbetrag erst erfolglos von ihm und anschließend erfolgreich von dessen Eltern eingefordert hatte, hat er mit einem Male einen "Freund" weniger.

Es werden nämlich genau diejenigen als erstes verschwinden, die dich bisher schamlos ausgenutzt haben...Vergiss sie! Wenige verlässliche Freunde sind mehr wert, als viele falsche zu haben!

verschafft dir Respekt und Anerkennung:

Setz deinen Mitmenschen Grenzen, und sie werden dir künftig mit Respekt begegnen! Eigentlich logisch: Wie soll man jemanden ernst nehmen können, der sich alles gefallen lässt und sich nicht beschwert? Anne und Tanja treten seit dem Kindergarten nur paar-weise auf, was bisher immer nach dem gleichen Schema ablief. Anne diktierte und Tan-ja parierte. Als Tanja sich dann das erste Mal einer Anweisung ihrer Freundin wider-setz-te, blieb dieser vor lauter Verblüffung die Luft weg. Danach reagierte Anne wie ihr Bru-der Dirk: Der betrachtete nämlich Tanja nicht länger als das gutmütige Anhängsel seiner zickigen Schwester, sondern als ein mutiges Mädchen, das sich nicht scheut, die ver-wöhn-te Anne auch einmal in ihre Schranken zu verweisen...


verleiht deiner Persönlichkeit Konturen:

Wenn du nicht mehr so biegsam wie ein Knetmännchen bist, sondern stattdessen die Kanten deiner Persönlichkeit zum Vorschein kommen lässt, wirst du auf deine Mitmen-schen plötzlich viel interessanter wirken. Obwohl du nach wie vor die gleiche Person geblieben bist oder zumindest beinahe. Seit die unscheinbare Nicole in der Klasse einer Außenseiterin beigestanden hat, ist sie von vielen Mitschülern zum ersten Mal richtig wahr-genommen worden...

Klarstellung

Nein sagen bedeutet nicht, plötzlich zum gnadenlosen Ellenbogen-Zombie zu mutieren, von dem keine Unterstützung mehr zu erwarten ist!

Selbstverständlich darf deine Umwelt weiterhin auf deine Hilfe zählen, aber nur unter der Voraussetzung, dass es wirklich brennt (der bestellte Babysitter ist plötzlich er-krankt) und dass sich Geben und Nehmen die Waage halten (das gemeinsame Referat wird gerecht halbiert bzw. wir wechseln zwischen Liebes- und Actionfilmen ab)!



Fazit: Gesunder Egoismus ja,
aber mit Rücksicht auf Verluste!

© 2000 Anja Gerstberger