Stress - schon in der Jugend?
"Mensch, war das heute wieder ein Stress!", stöhnt Michael
(16), als er von der Schule nach Hause kommt und erst mal seinen
Ranzen in die Ecke gepfeffert hat, bevor er sich erschöpft auf
sein Bett plumpsen lässt. Drei Fälle, aber wahrscheinlich ein und dasselbe Problem:
Stress.
Mit dem Begriff Stress bezeichnen die Wissenschaftler einen
Zustand erhöhter Alarm-bereitschaft des Körpers. Wenn du unter
Stress stehst, zapft dein Organismus seine Kraft-reserven an und
bereitet sich darauf vor, bei Bedarf auf Gefahren schnell
reagieren zu können. Stress gehört zum Leben Stress gehört zum normalen Leben dazu, so wie Aufregung,
Belastungen und Heraus-forderungen einerseits, und Freude, Spaß
oder Erfolg andererseits. All diese Dinge sind
selbstverständlich und auch wichtig. Sogar der Stress, denn er
verschafft uns einen an-re-genden Reiz. Absolute Reizarmut wäre
nämlich unerträglich. Welche Situationen lösen Stress aus? Man unterscheidet folgende Ursachen für Stress: 1. Körperliche Belastungen wie Lärm, Kälte, Hitze,
Überarbeitung, Hunger, Verlet-zungen, Krankheiten,
Überanstrengung, 2. psychische Verursacher wie Angst, Schreck, Leid oder
Unsicherheit (z.B. in der Schule), 3. sogenannte soziale Auslöser wie Armut, Einsamkeit,
Arbeitslosigkeit, Probleme in Schule/Beruf oder in der Familie, 4. künstliche Stressfaktoren wie Reizüberflutung durch
die Medien, Anforderungen durch die Technik, Drogen,
Medikamente, Konsumzwang, Geschwindigkeitsrausch usw. Es gibt guten und schlechten Stress Guter Stress ist derjenige, der uns hilft, den
Herausforderungen des Lebens trotzen zu können, indem er den
Körper in erhöhte Leistungsbereitschaft versetzt. Solange du
dich zwischen den einzelnen Stresssituationen genügend lange
erholen kannst, schadet er auch nicht. Im Gegenteil. Wir
brauchen sogar ein bestimmtes Maß an Reizen, um
wider-standsfähig zu bleiben. Dieser gute Stress, der dich zu
Höchstleistungen beflügeln kann, heißt positiver Stress
(Eustress). Den brauchst du beispielsweise vor einer Probearbeit
oder einem Sportwettkampf. Wenn du dir jedoch zu viele Belastungen zumutest, dann kann
dich der Stress krank ma-chen, man spricht dann von schädlichem
Stress (Dystress). Wenn du dich in einer Stresssituation befindest, dann schüttet
dein Körper die beiden "Stresshormone" Adrenalin und
Noradrenalin ins Blut aus. Vielleicht hast du ja schon mal die
Redewendung "Das hat meinen Adrenalinspiegel steigen lassen!"
gehört. Diese beiden Hormone bewirken, dass dein Herz schneller und
kräftiger schlägt, dein Blutdruck ansteigt, deine Bronchien sich
weiten und du intensiver atmest. Dein Blutzu-ckerspiegel als
Energiequelle erhöht sich und deine Skelettmuskulatur wird
besser durch-blutet. Dafür stellen andere Organe wie Magen, Darm
oder Blase ihre Funktion vorübergehend ein und dein Immunsystem
(Abwehrsystem gegen Krankheiten) fährt seine Leistung ebenfalls
herunter. Du siehst also, dass dein Körper seine Leistungsbereitschaft
insgesamt enorm steigert, allerdings auf Kosten deines
Abwehrsystems. Und das ist der Knackpunkt beim Stress. Du wirst
Krankheiten gegenüber anfälliger. Wie gesagt, Stress als solcher ist nicht unbedingt schädlich,
sondern die Menge macht´s! Zuviel Stress ist vor allem dann schädlich, wenn er nicht
richtig verarbeitet wird. Gerätst du in einen ständigen
Spannungszustand ("unter Strom stehen"), aus dem du nicht mehr
herauskommst, dann wird dein Körper irgendwann darauf reagieren,
schlimmsten-falls mit Herzinfarkt, Magengeschwür oder
Schlaganfall. Klar, das passiert nicht sofort morgen, aber diese
Patienten werden immer jünger. So gibt es Herzinfarktpatienten
um die 30 und ein Schlaganfall bei Leuten Anfang 20 ist längst
kein Einzelfall mehr... Die geschilderten Fälle und Folgen sind natürlich
Extrembeispiele. Doch auch die weni-ger "schlimmen" Folgen von
Stress sind immer noch schlimm genug! Unser Körper verfügt über die Fähigkeit, in Extrem-Situationen
besonders heftig zu rea-gieren, also eine Art Schutzsystem für
Notfälle. Wenn du nun aber immer zu stark auf die Anforderungen
und Ansprüche reagierst, die Schule, Familie, Sport usw. an dich
stel-len, dich also in ständiger "Alarmbereitschaft" befindest,
dann missbrauchst du deine körpereigenen Schutzmechanismen. Sie
werden dir zu Gewohnheit und andauernd belastet. Das führt dazu,
dass deine Kräfte schneller verschleißen und deine
Energiere-serven, die ja eigentlich nur für außergewöhnliche
Situationen gedacht sind, vorzeitig aufgebraucht sind. Du hast
dann künftigen Belastungen oder einer Krankheit nichts mehr
entgegenzusetzen. Wenn du deinem Körper zu viel Stress zumutest, beschwert er
sich bei dir mit einer ganzen Reihe von Signalen: Kopf-, Nacken-
und Rückenschmerzen, Zittern, Zähneknir-schen, gereiztes Lachen,
nervöses Blinzeln usw. Diese Signale sind allesamt Zeichen von
verstärkter Muskelanspannung. Weitere Anzeichen von zuviel Stress sind außerdem ein trockener
Mund, Schwitzen, Herzklopfen oder ein beschleunigter Puls. Außer auf deinen Körper wirkt sich der Stress auch auf deinen
Gemütszustand, deine seelische Verfassung aus. Dies äußert sich
dann in Angst, Schlafstörungen, Gereiztheit,
Niedergeschlagenheit oder Stimmungsschwankungen. Wenn du auf diese Warnungen deines Körpers über einen längeren
Zeitraum nicht hörst, können sich die Belastungen regelrecht
aufstauen und zu einer sogenannten psychosomatischen Krankheit
(= Krankheiten, die psychische Ursachen haben, sich aber auf den
Körper auswirken) führen. Typische psychosomatische Krankheiten
in eurem Alter sind beispielsweise Magersucht, Bulimie,
Angstzustände oder auch Depres-sionen. Du siehst also, wie
wichtig es ist, rechtzeitig die Bremse zu ziehen! Mache mal kurz den Stress-Test: Du bist stressgefährdet, wenn folgende Aussagen auf dich
zutreffen: Ich hoffe nicht, dass du viermal "stimmt" geantwortet hast... Wie kann ich Stress vorbeugen? Plane deinen Tagesablauf! Dazu brauchst du kein fettes wichtigtuerisches Filofax, nein,
das geht auch im Kopf oder mit knappen Notizen. Überlege dir
jeweils am Abend vorher, was für den nächsten Tag ansteht.
Unterscheide dabei nach Dingen, die sehr wichtig sind und
erledigt werden müs-sen, und solchen, die du auch noch
verschieben könntest. Du kannst deine Ergeb-nis-se kurz auf
einem Zettel aufschreiben, allerdings sollten nicht mehr wie
drei feste Punkte draufstehen. Schätze die benötigte Zeit sehr
großzügig ein und plane vor allem Pausen ein. Ein
durchgehender Terminreigen ohne weiße Flecken ist streng
verboten! So behältst du nicht nur die Übersicht über deine
"Geschäfte", sondern vermeidest auch ein unnötiges, und vor
allem ungesundes Herumhetzen! Übrigens: du sollst nicht zum gegängelten Sklaven deines
Tagesplanes werden, son-dern ihn als eine Art Leitfaden
verstehen, okay? Genieße deinen Feierabend! Schule ist Arbeit, und jeder Arbeiter hat einen Anspruch auf
Feierabend. Zum Entspan-nen, Erholen, Auffüllen seiner
Batterien. Ziehe also nach den Hausaufgaben einen di-cken
Schlussstrich und genieße dann deine Freizeit bei
Beschäftigungen, die du magst. Das kann Sport sein oder auch
Faulenzen. Wichtig ist, dass deine Freizeit dich nicht in
Hektik verfallen lässt, denn dann wäre es mit dem Relaxen
gleich Null! Das wäre ja noch schöner, wenn du für deine Freizeit eine Art
"Leistungsnachweis" er-brin-gen müsstest, mit dem du dich
rechtfertigst, deine Freizeit auch ordentlich genutzt zu
haben! Quatsch! Du machst einfach das, was die Spaß macht.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Basta. Tanze nicht auf zu vielen Hochzeiten! Montags Tennis und Kinotag, dienstags Computerkurs und
Schwimmen, mittwochs Tanzstunde, donnerstags Fitnesscenter,
freitags Nachhilfe und Aerobic, samstags Turnier und Disco,
sonntags Billardrunde und Spielnachmittag, dazwischen
Einkaufs-bummel, spontane Unternehmungen und Hausaufgaben. Und
außerdem gibt es da noch zwei tolle neue Sportarten, die du
gerne mal ausprobieren, und einen Kurs an der Volkshochschule,
den du belegen möchtest... Halt! Wenn diese Liste deinem Freizeitprogramm nicht ganz
unähnlich ist, solltest du dringend etwas kürzer treten, wenn
du nicht mit 40 einen Herzinfarkt haben willst! Beschränke dich auf wenige Hobbys und ziehe die konsequent
durch! Das ist nicht so hektisch und verschafft dir tolle
Erfolgserlebnisse in den Dingen, die dir wirklich etwas
bedeuten. Statt Hobby-Hüpfen lieber Hobby-Eintauchen... Du hast Angst, etwas zu versäumen? Denk doch mal kurz nach:
genug Zeit für alle Sportarten, alle Instrumente, alle Kurse
etc. hast du ohnehin nicht, dann ist es auch wurscht, ob du
zwei mehr nicht ausprobieren kannst, oder? Bekämpfe den Stress anstatt ihn zu betäuben! Hältst du Fernsehen, Süßigkeiten, betäubenden
Heavy-Metal-Sound aus dem Walkman oder gar Rauchen für
geeignete Anti-Stress-Mittel? Dann unterliegst du einer
Täuschung, denn diese Mittel helfen dir nicht bei Stress,
sondern betäuben ihn lediglich und die unangenehme Spannung
bleibt bestehen. Sei also lieber zurückhaltend damit und gehe
lieber aktiv gegen den Stress an! Sport Sport ist bei Stress besonders gut, denn mit viel
körperlicher Anstrengung und Bewegung kannst du die
angesammelten Stresshormone körpergerecht verarbeiten, so dass
du sie los wirst, ohne Schaden zu nehmen. Sport bringt dich
nämlich auf andere Gedanken, entspannt dich herrlich und macht
dich wieder fit. Und zwar körperlich und geistig! Du schläfst
außerdem besser und wirst insgesamt unempfindlicher gegen
Stress. Vorausgesetzt, du entwickelst nicht einen übertriebenen
sportlichen Ehrgeiz, so dass du beim Sportreiben gleich in die
nächste Stresssituation gerätst... Spaß und Abreagieren statt verbissener Kampf heißt die
Devise! Entspannungstechniken "Du musst dich entspannen!" Ein blöder und vor allem
wirkungsloser Spruch, wenn man nicht weiß wie. Es gibt verschiedene einfache Entspannungsmethoden (Yoga,
Autogenes Training, Qi-Gong, Tai Chi...), die du leicht selbst
erlernen und anwenden kannst. Da es einen extra Artikel über
Entspannung gibt, möchte ich dir hier nur eine
Entspannungsübung vorstellen: Übe jeden Tag einige Minuten lang, immer wenn du dich nicht
gut fühlst, und du wirst sehen, dass es mit jedem Male besser
funktioniert und das entspannende Gefühl schneller einsetzt
und intensiver wird. Klar, dass die Umstellung vom gestressten Hektik-Junkie auf
den ausgeglichenen und gelassenen Entspannungs-Meister nicht
von heute auf morgen klappt. Das erfordert schon eine gewisse
Umstellung. Die sich aber langfristig auf jeden Fall rentieren
wird! Also: "Stress lass nach!" statt "Voll die Hektik!" © 2000 Anja Gerstberger |
|||