Ist Danke sagen ein alter Hut?

Anekdote
Danke heute
Wofür?
Warum?
Wie?
Vorbild

In einer Zeit, in der die Menschen großzügig mit überschwänglichen Gefühlen umgehen und ohne Scheu in aller Öffentlichkeit ihr Innerstes nach Außen kehren, scheinen die kleinen Gesten und Worte auf der Strecke zu bleiben.

Anscheinend ist es wesentlich leichter, in irgendeiner Herz-Schmerz-Radio- oder Fernsehsendung seine Liebe hinaus zu posaunen oder in einer der unsäglichen Talkshows, die geradezu wie Pilze aus dem Boden schießen, seine geheimsten Sehnsüchte und Gedanken zu offenbaren, als Bitte, Entschuldigung oder Danke zu sagen.

Wann hast du dich eigentlich das letzte Mal bei jemandem bedankt? Und es auch wirklich ernst gemeint und nicht nur so dahin gesagt wie eine angelernte Leerformel?

Erwischt?

Warum nur kommt uns das Wort Danke so schwer über die Lippen?

Sollte Cervantes Recht haben, von dem der Spruch stammt: "Undankbarkeit ist eine Tochter des Stolzes"?

Ist es wirklich eine Frage des Stolzes? Haben wir Angst davor, uns den berühmten Zacken aus der Krone zu brechen, wenn wir Danke sagen, weil wir die Hilfe eines anderen angenommen haben, ja viel mehr, ihr überhaupt bedürfen?

Danke. Danke. Danke. Und ein freundliches Lächeln dazu. Ist doch eigentlich gar nicht so schwer.

Lies nach, wo, warum und wie ein einfaches und ehrliches Dankeschön angebracht ist. Wie es heute um das Wörtchen Danke bestellt ist. Weshalb es mehr als eine antrainierte Floskel ist bzw. sein sollte.

Danke, dass du dir die Zeit für diesen Artikel nimmst...


Eine kleine Geschichte vorweg...

Wir hatten mal eine junge Lehrerin, die den schlimmsten Rüpel der Klasse - wir waren in der Neunten, also ohnehin im übelsten Flegelalter- mit dem simplen Wörtchen Danke dermaßen verblüffte, dass es ihm regelrecht die Sprache verschlug. Sie wollte etwas erklären und wartete darauf, dass endlich Ruhe in den allgemeinen Tumult einkehren würde. Schließlich war Oliver, so hieß der großmäulige Rabauke, der einzige, der seine Klappe noch offen hatte. Sie blickte ihn freundlich, aber bestimmt an, bis er schließlich schwieg. Danach lächelte sie und sagte Danke. Mehr nicht. Aber diese winzige Geste genügte, Oliver wie ein Auto schauen und uns alle ein wenig nachdenklich werden zu lassen...


Danke sagen heutzutage

Warum ich die obige Episode aus meiner Schulzeit erzählt habe?

Um zu zeigen, dass Danke sagen keine Frage von Alter oder der Position ist, in der man sich befindet. Um zu demonstrieren, dass ein aufrichtiges Danke keine leere Worthülse ist, sondern seinen Adressaten durchaus berühren kann. Ja, dass Dank das menschliche Miteinander einfach angenehmer macht. Und das ist heutzutage schon viel!

Klar, ist das Wort Danke nicht völlig aus unserem Wortschatz gestrichen! Wir hören es durchaus noch. Leider oft nur gedankenlos dahin gesagt (beispielsweise beim zehnten Geburtstagspäckchen) oder regelrecht antrainiert, so wie der Opa seinen kleinen Enkel fragt "Und was sagt man jetzt als braves Kind?".

Derartige Inszenierungen verfolgen uns unser ganzes Leben lang. Beispiel Muttertag. Clevere Geschäftsleute drücken auf die Gefühlsdrüse und verstehen es geschickt, an das schlechte Gewissen der Kinder (warum haben sie überhaupt eines?) zu appellieren, damit sie sich wenigstens einmal im Jahr bei ihrer Mutter für deren Hingabe und Mühe bedanken. Und sich das viel Geld kosten lassen...

Sicher, lieber selten Danke sagen als nie. Lieber eine Formel los werden als ganz zu schweigen. Um die gute Kinderstube zu beweisen. Aber ein schaler Nachgeschmack bleibt dabei doch stets zurück. Schade.

Vielleicht bringst du ja dein nächstes Danke überzeugender rüber?



Wofür?

Kleine Kinder lässt man sich für ein Eis oder eine Tafel Schokolade bedanken. Später für den Geldschein zum Geburtstag oder Weihnachten. Oder gar für den Computer oder den kompletten Führerschein. Kein Wunder, dass junge Menschen das Wörtchen Danke hauptsächlich mit materiellen Werten und möglichst teuren Geschenken in Verbindung bringen, wenn man es ihnen von Kindesbeinen an so beigebracht hat! Sich für kostspielige Gegenstände zu bedanken ist okay. Da hat man ja für sein Danke einen sichtbaren Gegenwert, einen echten Grund vor Augen.

Warum aber sollte ich mich für etwas bedanken, das ich nicht sehen und behalten kann, das vergänglich ist und nur dem Augenblick gehört?

Bei dem Mitreisenden im Zug dafür, dass er seine ausgestreckten Beine anzieht, als ich mich ihm gegenüber hinsetze? Bei der Frau mit dem übervollen Einkaufswagen an der Supermarktkasse dafür, dass sie mich vor lässt, weil ich nur zwei Sachen habe? Bei dem Kellner im Lokal dafür, dass er mir das Wasser eingießt? Bei dem Autofahrer dafür, dass er mir als Radfahrer oder Fußgänger den Vortritt lässt? Bei dem anderen Kunden dafür, dass er mir beim Verlassen des Geschäftes die Tür aufhält, weil ich beide Hände voller Taschen habe?

Warum Danke sagen für etwas, dass ich als selbstverständlich empfinde und von meinen Mitmenschen nicht anders erwarte?

Weil es eben nicht selbstverständlich ist! Darum!

Höflichkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme, auch Ratschläge und Zeit zum Zuhören sind heutzutage längst keine Selbstverständlichkeit mehr! Und sollten gerade deswegen mit einem erfreuten Danke belohnt werden...

Übrigens: Auch Geburtstags- oder andere Einladungen sind immer mit viel Arbeit für den Gastgeber verbunden und sollten daher entsprechend gewürdigt werden!


Warum?

Gründe für ein Danke gibt es viele, hier möchte ich nur einige davon aufzählen. Aber ich wette, dass dir noch mehr einfallen, solltest du einmal genauer darüber nachdenken.

Mit einem Danke:

• ...beweise ich meine Wohlerzogenheit. Ich habe gelernt, dass man in bestimmten Situationen ein Danke von mir erwartet und komme daher dieser Erwartung auch nach.

• ...zeige ich dem Anderen meine Achtung vor ihm. Das gilt vor allem für die Menschen, mit denen ich ein besonders vertrautes Verhältnis habe. So achte ich die Arbeit und Fürsorge meiner Mutter, indem ich ihr Essen lobe, oder die Hilfe meines Bruders, der mir mein Radl repariert hat, indem ich ihn bei der Lateinübersetzung helfe oder den nächsten Einkaufsdienst abnehme usw.

• ...lege ich ein höfliches Verhalten an den Tag, anstatt mich als rücksichtsloses Egomonster zu outen. So zolle ich anderen Respekt, aber auch mir selbst.

• ...schaffe ich im täglichen Umgang mit meinen Mitmenschen eine nette Atmosphäre, gerade bei Personen, die ich nicht kenne: Verkäufer, Busfahrer, Kellner usw.

• ...drücke ich meine Freude aus über eine Überraschung, ein Geschenk, einen Gefallen, Hilfe u.ä. Dieses Danke fällt uns am leichtesten, möglicherweise deswegen, weil es uns am natürlichsten erscheint und nicht aufgesetzt.

• ...äußere ich meine Dankbarkeit gegenüber jemandem, der mir in einer schwierigen Situation (z.B. Freundin bei Liebeskummer) oder auch im Alltagsleben (Eltern!) unterstützt hat. Mir seine Zeit, Aufmerksamkeit und Energie geschenkt hat. Werte, die sich nicht mit Geld aufwiegen lassen. Dazu eine treffende Beschreibung von Jean Baptiste Massieu: "Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens."



Wie?

Im normalen Alltagsleben sind die gewohnten Danke-Floskeln durchaus okay. Weil man sie ja ständig braucht und es schnell geht.

Bei Geschenken oder Einladungen sieht das Ganze schon etwas anders aus, da du ja auch "mehr" bekommen hast. Der Handel bietet hierzu zwar fertige Danksagungs-Karten an, wesentlich persönlicher wird dein Dank allerdings, wenn du selber eine Karte gestaltest oder einen kurzen (kurz meint auch kurz, eine halbe Seite reicht völlig!) Brief schreibst. Lieber wenige handschriftliche Zeilen als eine protzige Standardkarte mit Goldprägung.

Wenn du dich schließlich für Hilfe, Unterstützung, Arbeiten, Gesten etc., die aus tiefen Gefühlen erwachsen und daher wirklich ein kostbares "Geschenk" sind, bedanken möchtest, wäre ein kurz dahin gesagtes Danke etwas dürftig. Zeige deine Dankbarkeit lieber in ähnlich "nicht kaufbaren" Gesten (glaube mir, Mütter freuen sich immer über ein ehrliches Lob, eine kurze Umarmung oder einen liebevollen Schmatz auf die Wange!) oder ganz besonderen Geschenken. Wenn der reiche Geschäftsmann seiner Frau monatlich einen Goldring schenkt, quasi aus der Portokasse, dann ist das nichts Besonderes, weil es ihm finanziell nicht weh tut. Ganz anders sieht es aus, wenn du dafür hart arbeiten und zwei Wochenenden lang jobben müsstest, um ein Geschenk für deinen Schatz zu kaufen. Oder dir die Mühe machst, mal das Kochen zu übernehmen, obwohl du kaum weißt, wie der Herd funktioniert. Der gute Wille und das aufrichtige Gefühl, das dahinter steckt, ist entscheidend. Die Person, bei der du dich bedanken möchtest, wird deine Mühe sicher zu schätzen wissen!


Die Sache mit dem Vorbild

Eigentlich traurig, dass die kleinen Kinder immer noch mit den oberlehrerhaften Scheinfragen à la "Wie heißt das kleine Zauberwort?" oder "Was sagt ein artiges Kind jetzt zu der Tante?" genervt werden. Wo es doch eine viel einfachere und nahe liegendere Lösung für das Problem des fehlenden Dankeschöns gäbe!

Nämlich Vorbilder!

Würden die Knirpse das Danken von Anfang an von den Erwachsenen um sie herum vorgelebt bekommen, könnten sie diese freundliche Geste gewissermaßen "mit der Muttermilch" aufsaugen und müssten nicht ständig daran erinnert werden... Wieder so ein Punkt, bei dem die Großen von den Kleinen etwas verlangen, das sie selbst nicht immer tun, leider...

Das wäre doch mal eine Gelegenheit, wo ihr es den Erwachsenen so richtig zeigen könntet, oder?

Wie lautet eigentlich deine Meinung zum Thema? Hältst du meine Ansichten für altmodisch und spießig? Würde mich wirklich interessieren!

© 2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright by Corel Draw, verwendet in Lizenz