Dröges Deutsch und edles Englisch? Gründe für die vielen Anglizismen In den letzten Jahren haben sich in unserem Sprachgebrauch
immer mehr englische Bezeichnungen eingeschlichen. Einhergehend
mit der zunehmenden Technisierung und Globalisierung ist
Englisch nicht nur zur Weltsprache und Fremdsprache Nummer Eins
geworden, sondern hat unseren Wortschatz mit unzähligen
englischen Begriffen ergänzt. Sinnvollen und weniger sinnvollen,
doch dazu später mehr. Nun fürchtet manch Einer in diesem unserem Lande den Verfall
der deutschen Sprache und schreitet heldenhaft zur Tat. So gibt
es inzwischen einen "Verein zur Wahrung der deutschen Sprache"
oder auch die amüsante Begebenheit, dass ein Telekom-Kunde
gleichnamiges Unternehmen dazu gezwungen hat, ihm seine Rechnung
ausschließlich in Deutsch (von wegen City-Call-Tarife usw.) zu
stellen, ansonsten würde er nicht zahlen. Schade, dass die natürlichen Sprachveränderungen immer gleich
extreme Reaktionen hervorbringen müssen! Hier die schicken
Zeitgeistjäger, die ihre Sätze mit so vielen englischen
Begriffen wie möglich spicken - beileibe nicht immer sinnvoll! -
, dort die sturen Traditionalisten, die jeglichen sprachlichen
Fremdkörper aus dem wertvollen Deutschen zu beseitigen suchen. Was, wie uns die Sprachgeschichte gelehrt hat, gar nicht
möglich ist. Denn unser Deutsch ist bereits längst mit
lateinischen, griechischen und französischen Wörtern durchsetzt.
Nun kommt eben noch der englische Einfluss dazu und das Geschrei
ist groß! Und treibt mitunter höchst unterhaltsame Blüten: "Der Shooting-Star unter den Top-Designern erhielt auf dem
Fashion-Event für seine trendigen Business-Capes im Space-Look
Standing ovations." Andererseits gibt es auch englische Begriffe, die sich im
Deutschen nur schwer oder gar nicht ersetzen lassen: Management,
Twinset, fit, T-Shirt, Snowboard (unser deutsches "Schneebrett"
ist was völlig anderes!!!!) u.a. Warum sind Anglizismen so verbreitet? Werbung Die Werbung verwendet gerne englische oder amerikanische
Begriffe, um ein bestimmtes, lässiges Lebensgefühl zu verbreiten
und den Kunden den Duft der großen weiten Welt vorzuspielen.
Drum kaufen wir eben Lotion, Aftershave, Snacks, Shorts und
Conditioner. Die Werbebranche selbst kennt Slogans, Marketing,
Corporate Identity, Promotion, Image oder Message. Technik Vor allem die Computerwelt und das Internet drücken unserer
Sprache ihren Stempel auf: Mouse, Download, E-Mail, Homepage,
Software, Laptop, scannen, Online, Provider, Backup, Cursor usw.
Doch auch davor haben sich technische Begriffe aus anderen
Bereichen im Deutschen durchgesetzt: Airbag, Display, Cockpit,
Layout, stand-by, Rekorder, Playstation, Gameboy, Joystick usw.
Sport Die immer größere Beliebtheit typisch amerikanischer Sportarten
mit den entsprechenden Begriffen sowie die internationale
Ausrichtung des Sports haben eine Menge englischer Begriffe
mitgebracht, die die Verständigung unter den Sportsfreunden
erleichtern: Fan, Match, Freeclimbing, Trekking, cross,
Freestyle, Pole Position, Penalty, Badminton, Paragliding, fit,
Sprint, Finish, Coach, Stretching, Team, Champions League,
Handicap, Weitere Quellen sind • die Medien (Feature, Primetime, Pay-TV, Print, Slow Motion,
Entertainer, Show, Soap), • die Kosmetikindustrie (Fluid, Eyeliner, Strip, Cover,
Foundation, Make-up...), • die Modebranche (Fashion, Dress, Look, Top, Boots,
Legging...) und noch andere. Und natürlich der Wunsch der Leute, durch das Einfließenlassen
englischer Begriffe in ihren Sprachgebrauch besonders cool und
weltgewandt zu wirken... Sprachwandel - ein natürliches
Phänomen Unsere angeblich deutsche Sprache ist schon längst nicht mehr
rein-deutsch, sondern enthält bereits eine Fülle von Lehnwörtern
oder komplett übernommenen Begriffen aus anderen Sprachen. Über die ehemals lateinischen (Fenster, circa), griechischen
(Katastrophe, Analyse, These) oder französischen Bezeichnungen
(Premiere, Toupet, Dessert) regt sich heutzutage keiner mehr
auf, im Gegensatz zur "Übernahmezeit". So wurde im 18.
Jahrhundert genauso heftigst gegen das Französische gewettert
wie derzeit gegen das Englische. Ich bin mir sicher, dass in
hundert Jahren die englischen Wörter im deutschen Sprachgebrauch
selbstverständlich geworden sein werden, bei Wörtern wie
Jogging, live, Airbag, Basketball oder Mountainbike regt sich
schon längst niemand mehr auf. Wer weiß, vielleicht werden es in
einigen Jahrzehnten chinesische oder russische Wörter sein, die
Eingang in die deutsche Sprache finden werden? Die Welt verändert sich nun mal und mit ihr die Menschen und
ihre Sprachen. Stillstand gibt es nicht, auch nicht in der
Sprache. So hat die deutsche Sprache außer den Einflüssen durch
andere Sprachen selber mehrere Veränderungen in Form von
Lautverschiebungen oder Bedeutungsveränderungen erfahren. Dieser
Prozess wird auch immer so weiter gehen und nicht aufzuhalten
sein. Neue Sachverhalte (Computertechnik) erfordern eben eine
Ausweitung der Sprache. Mein Wunsch: Tolerantes Nebeneinander
statt stures Verabsolutieren des Deutschen bzw. Englischen Regen sich die Amerikaner vielleicht über die deutschen
Ausdrücke in ihrer Sprache auf? Ja, die gibt es tatsächlich!
Beispiele: Kindergarten, Angst, Weltbild. Ich glaube nicht, dass ein Volk seine "Identität" aufgibt oder
seine Unabhängigkeit verliert, nur weil es fremdländische
Begriffe in seine Sprache integriert. Wie soll es da erst mit der Integration anderer Nationalitäten
und fremder Kulturen bei uns klappen, den hehren Zielen, die
sich sämtliche Politiker auf ihre Fahnen geschrieben haben? Klingt es tatsächlich sprachlich eleganter, wenn wir statt
T-Shirt "kurzärmeliges Hemd aus dehnbarem Baumwollstoff
("Jersey" ist ja auch verboten...)" sagen würden? Wenn wir
krampfhaft jedes englische Wort seiner deutschen Entsprechung
(Rechner statt Computer) zuführen bzw. umständlich umschreiben
würden, z. B. für Mountainbike "Fahrrad, das als Sportrad auf
Gebirgsstrecken ausgelegt ist"? Was hätten wir denn davon? Gut, vielleicht eine klinisch reine deutsche Sprache, aber um
welchen Preis? Wie würden uns viel Mühe, peinliche Verlegenheitsprodukte und
letztendlich unnötige Kommunikationsprobleme einhandeln, wenn
wir beispielsweise in der Computerbranche mit Leuten aus einem
anderen Land sprechen und uns wegen unserer teutonischen
Hartnäckigkeit letztendlich lächerlich machen und ins Abseits
manövrieren würden. Das kann weder im Interesse des Einzelnen, des Volkes noch der
Wirtschaft liegen. Dabei ist die Lösung doch ganz einfach! Wir sprechen weiterhin Deutsch und bedienen uns dort, wo es
erforderlich oder üblich ist, der englischen Begriffe. Ist das
so schwer? Und den Großmäulern, die weiterhin glauben, durch ihr protziges
Dauer-Englisch-Kauderwelsch mit vereinzelten deutschen
Restwörtern den weltgewandten Trendsetter mimen zu müssen,
schenken wir bloß ein mitleidiges Lächeln...
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