Ein Freund, ein guter Freund...
... das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt!
Kennst du dieses Lied?
Wahrscheinlich nicht, denn es hat schon etliche Jahre auf dem
Buckel.
Deine Eltern und Großeltern werden es dir nicht nur vorsingen
können, sondern sich auch noch an den zugehörigen
Schwarz-Weiß-Film erinnern, in dem es um eine tolle
Männerfreundschaft geht.
Ein guter Freund ist das Schönste, was es auf der Welt gibt.
Nun ja, vielleicht nicht unbedingt das Schönste, aber garantiert
gehören Freunde auf der Liste der Dinge, die uns glücklich
machen, ganz weit nach oben.
Gerade in eurem Alter, wo euer Leben recht anstrengend,
aufregend und herausfordernd ist und doch ziemlich turbulent
verläuft, sind Freunde ganz besonders wichtig.
Der Fels in der Pubertäts-Brandung sozusagen.
Für die Dinge, die deine Eltern nichts angehen oder nicht
verstehen.
Der beste Kumpel. Die sogenannte
Busenfreundin.
Der oder die eine, dem wir am meisten anvertrauen.
Solch dicke Freundschaften sind toll und notwendig.
Aber auch nicht immer frei von Problemen.
Und wahrscheinlich sind sie eines Tages auch vorbei, nämlich
wenn sich die beiden Personen zu unterschiedlich entwickeln, aus
beruflichen Gründen weit weg ziehen oder nach einem
Vertrauensbruch nicht mehr miteinander auskommen.
Denn in diesem Punkt lassen sich Freundschaften und
Liebesbeziehungen ganz gut vergleichen.
Freundschaften, die ein Leben lang halten, sind was Kostbares
und leider sehr selten. Vielleicht klappt es ja bei euch beiden?
"Freund" - ein Begriff, drei Inhalte
Halten wir uns zu Beginn mal kurz vor Augen, dass wir die
Bezeichnung "Freund" für ganz unterschiedliche Art von
Beziehungen verwenden:
A Freund = Partner
"Hast du eigentlich schon einen Freund?"
Mit dieser neugierigen Frage hat dich bestimmt schon der eine
oder andere Erwachsene genervt, bevorzugt weibliche Vertreter
aus der Verwandtschaft. Sie wollen wissen, ob du bereits eine
Liebesbeziehung, einen festen Partner, einen Freund hast.
B Freund = näherer Bekannter
"Am Sonntag kommen ein paar Freunde von mir vorbei."
Mit dieser Ankündigung bereitest du deine Eltern auf das
Erscheinen eines größeren Haufens aus deinem näheren
Bekanntenkreis vor. Das kann die Clique sein, Bekannte aus
irgendwelchen Vereinen, Schulkameraden, zu denen du einen
engeren Kontakt als zum Rest deiner Klasse pflegst. Diese
Freunde sind gute Bekannte von dir, du magst sie, würdest ihnen
aber deswegen noch lange nicht alles von dir erzählen.
C Freund = Vertrauter
"Bernd ist mit seinem Freund Thomas zum Zelten gefahren."
Vom eher unwahrscheinlicheren Fall abgesehen, dass es sich bei
Bernd und Thomas um ein schwules Liebespaar handelt, meinen
Bernds Eltern mit Freund den engsten Vertrauten ihres Sohnes,
seinen Intimus, seinen dicksten Kumpel, analog zur sogenannten
"Busenfreundin" bei den Mädchen. Diese Freunde sind die
"besten", denen man alles anvertraut und von denen man meist
auch nur einen hat.
Wenn ich im folgenden von Freunden rede, meine ich den Typ C.
Warum Freunde so wichtig sind
Freud und Leid teilen
Ja, ja, werdet ihr jetzt wider
stöhnen, jetzt kommt sie schon wieder mit ihren blöden Sprüchen
daher! Aber auch nur deswegen, weil sie so viel Wahrheit
enthalten und daher bis heute gültig sind.
"Geteilte Freude ist doppelte Freude." Und "Geteiltes Leid ist
halbes Leid".
Mal ´ne Mathematik, die sich so richtig gut anhört. Kennst du
das Gefühl, wo du vor lauter Glück sprühst, und deine
Begeisterung gerne mit jemandem teilen möchtest? Weil dich dein
Schwarm erhört hat, weil dich die erlösende Englisch-Drei vor
dem Sitzenbleiben bewahrt hat, weil du bei einem
Preisausschreiben gewonnen hast oder dir sonst was Tolles
widerfahren ist. Deine überschäumende Freude muss nun raus,
sonst platzt du am Ende wirklich noch, und die erste
Anlaufstelle wird dein engster Freund, deine beste Freundin
sein.
Umgekehrt genauso. Deine Liebe ist kaputt, dein Schatz hat dich
betrogen, du traust dich mit der Physik-Fünf nicht nach Hause,
hast das kostbare Porzellanerbstück deiner Eltern aus
Unachtsamkeit zertrümmert oder Angst, schwanger zu sein. Jetzt
brauchst du zunächst einen verständnisvollen Zuhörer, der dich
in den Arm nimmt und tröstet und danach mit dir überlegt, was du
in dieser Situation am besten tun hast. Der oder die dir bei
deinem schweren Gang begleitet und nicht genervt ist, die immer
gleichen Sorgen zum soundsovielten Male zu hören. Dafür sind
beste Freunde da. Und schon sieht die Welt etwas freundlicher
aus. Meistens.
Verständnis
Außerdem gibt es Themen und Probleme in eurem Alter, bei denen
du dich bei Gleichaltrigen besser aufgehoben fühlst.
Mag für deine Mutter der blühende Pickel auf der Nase vor dem
wichtigen Date keine Katastrophe darstellen, für dich schon. Und
deine Freundin kann deine Verzweiflung verstehen, weil sie in
der gleichen Situation genauso regieren würde.
Oder du möchtest zum ersten Mal mit deiner Freundin schlafen
und bist verunsichert. Würdest du da zu deinem Vater gehen
wollen und ihn nach seinen Erfahrungen mit Kondomen, seinem
ersten Mal oder konkreten Tipps fragen wollen? Wohl kaum. Aber
mit deinem Kumpel kannst du über deine Sorgen und Ängste reden.
Der versteht dich, weil er das gleiche Problem vor sich hatte
oder hat.
Gemeinsame Unternehmungen
Das Leben mit seinen vielen Möglichkeiten macht Spaß. Und mit
Gleichgesinnten erst recht. Stadtbummel, Disco, Sport, Kino,
Konzerte, Partys, Eisdiele usw. Zu zweit losziehen und die Stadt
unsicher machen. Ein Riesenvergnügen!
Wie knüpft man Freundschaften?
Am einfachsten dort, wo man sich
selber gerne aufhält, wenn du beispielsweise deinen Hobbys
nachgehst: Fotokurs, Pfadfinder, Musikschule, Sportverein oder
Schülerzeitungsredaktion. Und natürlich in der Schule. Wenn du
dich dort mal genauer umschaust, wird es in deiner Klasse, der
Parallelklasse oder den Jahrgangsstufen über und unter dir (mehr
als ein Jahr Altersabstand solltet ihr nicht haben, denn gerade
in eurem Alter entwickelt man sich doch sehr unterschiedlich)
sicher Leute geben, die du sympathisch findest bzw. mit denen
du auf einer Wellenlänge liegst. Wer sich nicht traut, die
betreffende Person direkt anzusprechen, sollte auf eine günstige
Gelegenheit (z. B beim Anstehen beim Pausenverkauf, sich im Bus
auf den freien Platz daneben setzen oder ihn anbieten) warten,
wo er in einer unverfänglichen Situation ein Gespräch beginnen
kann.
Ist das Eis erst mal gebrochen, geht der Rest dann fast schon
von alleine.
Klar, dass du dich vorher darüber informiert hast, ob dein
Wunschkandidat bereits einen besten Freund hat oder nicht.
Was man vom Freund bzw. der Freundin erwartet
Bedenke bei deinen Ansprüchen, dass eine Freundschaft immer
eine Sache von Geben und Nehmen ist, also du das Gleiche zu
geben bereit sein solltest, was du dir umgekehrt von deiner
Busenfreundin wünschst.
Umfragen unter Jugendlichen haben folgende Ergebnisse über die
Wunsch-Eigenschaften des idealen Freundes ergeben:
Der dickste Kumpel bzw. die beste Freundin soll...
• ...das, was ich ihm anvertraue, für sich behalten,
• ...mir ehrlich antworten wenn ich sie (Beim Einkaufen,
Ausgehen...) um ihr Urteil bitte,
• ...immer ein offenes Ohr für meine Sorgen, Ängste und Gefühle
haben,
• ...möglichst die gleichen Interessen wie ich haben,
• ...absolut zuverlässig sein,
• ...nicht neidisch auf mich sein,
• ...mich unterstützen und für mich da sein, wenn ich ihn
brauche,
• ...mir auch unangenehme Wahrheiten sagen,
• ...mit mir zusammen ausgelassen sein können und auch mal
verrückte Dinge anstellen,
• ...mich so akzeptieren und mögen, wie ich nun mal bin,
• ...meinen Schatz nicht anbaggern,
• ...mir gegenüber sein Mitgefühl ausdrücken, wenn ich etwas
Schlimmes erleiden muss,
• ...mir verzeihen können, wenn ich Mist gebaut habe,
• ...mir einen festen Platz in ihrem Leben frei halten, auch
dann, wenn sie eine Partnerschaft hat,
• ...mich niemals auslachen oder vor anderen bloßstellen,
• ...mir gegenüber immer völlig offen sein und mir auch sagen,
wenn er etwas von mir nicht gut findet oder ich im Unrecht bin,
• ...ähnliche Ansichten vertreten und ungefähr auf die gleichen
Dinge Wert legen,
• ...mir in schwierigen Situationen beistehen,
• ...mich auch bei meiner Abwesenheit vor anderen verteidigen,
wenn ich zu Unrecht angegriffen werde.
Gibt es Unterschiede zwischen Jungen- und
Mädchenfreundschaften?
Oh ja! Mädchenfreundschaften sind in der Regel inniger, enger
und damit auch verletzlicher. Mädchen wollen mit ihrer Freundin
eine Symbiose eingehen, will heißen, sich gegenseitig ergänzen
und unterstützen. Sie wollen mit ihrer Freundin eine Einheit
bilden, eine Art Seelenverwandtschaft haben und sich mit dem
Wesen der anderen irgendwo auch identifizieren können. Sie sind
wesentlich offener als die Jungen und sprechen auch Themen an
bzw. gehen bis ins letzte Detail, wo Jungen den Riegel
vorschieben und ihre Gedanken für sich behalten.
Grundsätzlich sind Jungenfreundschaften etwas distanzierter,
sachlicher (Liebe ist nicht das Thema Nummer Eins, sondern eines
neben vielen anderen: Computer: Sport, Moped...) und auch
gleichgültiger. Sie wollen sich in der Gegenwart ihres besten
Kumpels wohl fühlen, aber ihm nicht unbedingt alles anvertrauen.
Daher wechseln sie ihre Freunde auch öfter und leichter.
"Je fester eine Freundschaft zwischen Frauen, desto
wortreicher.
Je fester eine Freundschaft zwischen Männern, desto
wortkarger."
(unbekannt)
Lesetipp:
Das hohe Ideal der Freundschaft beschreibt meiner Meinung nach
niemand besser als Friedrich Schiller in seiner berühmten
Ballade "Die Bürgschaft".
Unbedingt lesen!
©
2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright by MacMillan Inc.
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