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Immer mehr und doch nie satt: Süchte
Wenn auch nicht jede Sucht direkt deine Gesundheit schädigt -
wie beispielsweise bei Alkohol, Nikotin, Drogen oder
Essstörungen -, so wirst du dennoch in irgendeiner Weise dafür
bezahlen müssen. Häufig mit sozialen Schwierigkeiten wie
Kontaktarmut, heimlichem Doppelleben, akuter Geldnot und
zwischenmenschlichen Streitereien. Nicht selten auch mit
Krankheit, die dich eben über den indirekten Weg erwischt.
Übrigens sind nicht alle der unten genannten Süchte nach
allgemeinem Verständnis der Bevölkerung auch als Sucht anerkannt
bzw. werden häufig unterschätzt.
Ihre negativen Folgen sprechen leider für sich....
Was heißt Sucht?
Sucht bedeutet die Abhängigkeit von einem Stoff, wobei der
Stoff auch etwas sein kann, was nicht "greifbar" ist,
beispielsweise bei Süchten, die auf ein spezielles Verhalten
abzielen. Die Betroffenen "suchen" dann ihr Glück, ihre
Zufriedenheit und ihr Wohlbefinden in bestimmten
Ersatzhandlungen.
Workaholics - Arbeit als Droge
Nicht lachen, denn Arbeit kann durchaus süchtig machen! Während
so genannte Workaholics unter Jugendlichen wohl eher selten zu
finden sind - es sei denn einige wenige überfleißige
Dauerbüffler -, so finden sich unter den Erwachsenen etliche
Betroffene (hoffentlich nicht deine Eltern...). Du erkennst sie
daran, dass sie zwar einerseits über die viele Arbeit stöhnen,
aber sich gleichzeitig auch umso besser fühlen, je mehr, je
intensiver und je anstrengender sie arbeiten. Kinder, die ihren
Vater nur am Wochenende begegnen, können ein Lied davon singen.
Und die Betroffenen selbst spätestens dann, wenn ihnen der
Dauerstress auf den Magen, das Herz usw. schlägt...
Fernsehsucht
Fernsehsüchtig sind die Leute, bei denen praktisch den ganzen
Tag über die Glotze läuft. Die eine Mahlzeit ohne gleichzeitige
Berieselung oder einen Abend ohne die "beruhigende" Bild- und
Geräuschkulisse im Hintergrund nicht aushalten können. Die mit
sich nichts anzufangen wissen oder den Anforderungen des Alltags
zu entkommen versuchen, indem sie sich in ihre viereckige
Scheinwelt flüchten.
Besonders gefährdet sind allein lebende Personen (auch
Studenten!), jugendliche (und natürlich auch erwachsene)
Außenseiter oder Kinder, die bereits im Krabbel- oder spätestens
im Kindergartenalter mit der Flimmerkiste als Babysitter vorlieb
nehmen mussten. Fernsehen als legales Betäubungsmittel, als
allzeit verfügbarer, nie kritischer Freund, als Ersatz für das
eigene Leben, als Versteck vor der Wirklichkeit. Fernseh- statt
Spielerunden beschränken die familiäre Kommunikation nur noch
auf das Minimum. Echter Gedankenaustausch findet nicht mehr
statt. Sprach- und Kontaktarmut, Übergewicht, Bewegungsmangel
und Antriebslosigkeit als schädliche Folgen. Schlimmstenfalls
sogar Depressionen.
Ein erstes ernstzunehmendes Warnsignal besteht übrigens darin,
auf Unternehmungen mit Freunden zu verzichten, nur um nicht eine
unbedeutende Soapfolge zu verpassen...
Kaufrausch
Zweifelsohne macht Shoppen Spaß. Wer freut sich nicht über neue
Klamotten, CDs oder Spiele? Neuerwerbungen machen glücklich und
leider liegt auch genau da das Problem. Nämlich dann, wenn sich
die Leute aus Mangel an "zufälligen" (toller Gewinn bei Tombola)
oder "erarbeiteten" (sportlicher Erfolg nach hartem Training)
Glücksmomenten selbige erkaufen. Oder sich mit Neuanschaffungen
(egal welcher Art) ihre schlechte Laune vertreiben bzw. über
Frust und Enttäuschung hinwegtrösten wollen. Bis die
Kleiderschränke überquellen und die Regale, Schubladen u.ä.
nicht mehr aufnahmefähig sind. Abgesehen davon benötigt kein
Mensch fünf Rucksäcke oder sieben Jogginghosen. Zwar setzt beim
Kaufrausch die angenehme Wirkung sofort ein, hält aber nicht
lange an, so dass "weitergekauft" werden muss. Ein
verhängnisvoller Teufelskreis, der nicht selten in Schulden oder
Ladendiebstahl endet.
Spielsucht
Es müssen nicht einmal die berüchtigten einarmigen Banditen und
Glücksspielautomaten sein, die die Betroffenen nicht nur
seelisch, sondern oft auch finanziell schädigen. Da reicht schon
Kollege Computer mit seinem unerschöpflichen Angebot an
faszinierenden Spielen. Da wird stundenlang geübt, gekämpft,
geschossen, um wenigstens auf dem Bildschirm der Held zu sein.
Wenn man sich schon nicht im wahren Leben hervortun kann. Auch
die pure Lust am Spiel und die reine Freude sowie die reizvolle
Herausforderung an Können und Geschicklichkeit können sich in
eine Sucht steigern. Betroffene sind daran zu erkennen, dass sie
ununterbrochen an ihrer Playstation kleben, wegen Schlafmangels
bzw. -störungen dunkle Ringe unter den Augen haben, unter
Konzentrations- und Sprachschwierigkeiten leiden, sich abkapseln
und keine Zeit mehr für Freunde und Hobbys haben, in der Schule
leistungsmäßig abbauen und die Cyberwelt und die Wirklichkeit
nicht mehr auseinander halten können. Was vor allem dann nicht
komisch ist, wenn sie ihre Baller-Baller- und Hau-drauf-Spiele
auf dem Pausehof in die Tat umsetzen...
Körperkult
Ja, du hast richtig gelesen, bei manchen Leuten dreht sich ihr
gesamtes Denken und Tun um ihren Körper. Arbeit und Schule
werden pflichtbewusst erledigt, ihre wahre Leidenschaft gehört
jedoch ihrer Schönheit. Der Körper soll einem zweifelhaften
Idealbild entsprechend perfekt aussehen, um sich gut zu fühlen
und die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen. Das Glück stellt
sich dann automatisch ein, glauben die Opfer. Dafür wird
gefastet, trainiert, gestylt, lackiert, gefärbt, geschminkt,
gezupft, gelitten. Und im Extremfall in Form einer
Schönheitsoperation mit dem Skalpell nachgeholfen. Wer sich
ausschließlich über sein Erscheinungsbild definiert und seine
anderen Werte verkennt, macht sich logischerweise von seinem
Aussehen abhängig und lässt sich auf das ewige Streben nach
perfekter Schönheit ein. Die es im Grunde genommen überhaupt
nicht gibt. Diesen Kampf gegen die Natur wirst du niemals
gewinnen können. Wohl aber den gegen die Medien und die
Kosmetikindustrie, will heißen gegen die Oberflächlichkeit. Du
solltest es dir wert sein...
Grenzfälle: Sport und Sex
Ob man in diesen Bereichen von einer echten Sucht sprechen
kann, ist umstritten.
Zwar lassen sich Promis wie Michael Douglas u.a. medienwirksam
gegen ihre angebliche Sexsucht behandeln, aber vielleicht sollte
man ihren extrem ausgeprägten und dann auch hemmungslos
ausgelebten Geschlechtstrieb eher als eine bequeme Ausrede denn
als eine krankhafte Abhängigkeit bezeichnen. Schließlich
unterscheiden wir uns gerade durch unseren Verstand und die
Möglichkeit, ihn bei unserem Verhalten einzuschalten, von den
Tieren...
Was den Sport betrifft: Nach extremen körperlichen Einsatz
schüttet dein Körper Glückshormone aus und du fühlst dich
einfach prima. Ein Gefühl, dass manche Leute regelrecht süchtig
macht und so geben sie sich über das normale Maß hinaus dem
Sport hin, nur um dieses geile Feeling wieder genießen zu
dürfen.
Um nicht den Verdacht zu erwecken, ich wäre eine
besserwisserische, unfehlbare, oberlehrerhafte Klugscheißerin,
die dir nur den Spaß am Leben vermiesen will, verrate ich dir
abschließend meine persönlichen "Süchte": Schokolade, Harmonie
Streicheleinheiten, Lesefutter...
© 2000 Anja Gerstberger
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