"Meine
Liebe gehört mir!"
Die
Liebe ist nicht nur als solche ein unergründliches Geheimnis,
sondern sie braucht auch selber welche.
Damit
der Partner auf Dauer für uns interessant und begehrenswert
bleibt. Um diese kribbeligen Gefühle im Bauch wenigstens auf
kleiner Flamme am Köcheln zu halten. Damit sie ihren Zauber
behält.
Kleine
Geheimnisse in einer Beziehung erhalten ihren Reiz. Diese
Einsicht teilen sicher viele Leute mit mir.
Doch
ich möchte noch einen Schritt weiter gehen.
Ich
persönlich finde nämlich, dass das Geheimnis der Liebe
zwischen zwei Menschen auch das Geheimnis dieser beiden allein
bleiben sollte. Zumindest, was die wirklich intimen Details
der Partnerschaft anbelangt.
Es
wirkt auf mich daher immer etwas verstörend, wenn ich höre,
sehe oder lese, mit welch gnadenloser Offenheit so viele
Zeitgenossen aus dem tiefsten Inneren ihres "Nähkästchens"
plaudern, will heißen, hemmungslos über ihre Sexualität
palavern. Das würde vielleicht noch angehen, wenn sie sich
wirklich nur ihrem besten Kumpel oder ihrer Busenfreundin
anvertrauen würden, aber nein, all die pikanten Einzelheiten
werden dem Rest der Menschheit aufs Auge gedrückt.
Da
werden ganze Kegelrunden, Sportmannschaften, Klassen und
Cliquen unterhalten, da werden Leserbriefe mit knallharten
Fakten weiten Lesekreisen zugänglich gemacht.
Natürlich
nicht anonym, sondern mit Angabe des Alters (Was so jung und
schon so...?!? Oder: Was, in dem hohen Alter noch so...?!?),
des vollständigen Namens und der kompletten Anschrift
(Schließlich soll es die Nachbarschaft ja mitbekommen!),
heutzutage selbstverständlich mit E-Mail-Adresse für mögliche
Rückfragen.
Die
ganz Abgebrühten hocken sich in eine der unsäglichen Talkshows
(irgendein passendes Thema wird immer angeboten) und erzählen
dem entweder neidischen oder mitleidigem, auf jeden Fall
johlenden und begeisterten Publikum, freimütig von ihrem
wilden oder kläglichen Liebesleben. Mit allem Drum und Dran.
Au
weia!
Warum
ich ein derartiges exhibitionistisches Verhalten so heftig
ablehne?
Erstens
fühle ich mich durch das aufgezwungene Liebesleben fremder
Leute belästigt und zweitens empfinde ich ein derartiges
indiskretes Verhalten irgendwo auch als Verrat an dem
jeweiligen Partner der schonungslosen Ausplauderer. Ich bin
mir da nämlich nicht so sicher, ob die betroffene zweite
Hälfte überhaupt informiert und damit einverstanden ist, was
ihr Schatz da so alles vom gemeinsamen Liebesleben verbreitet.
Und
wenn, ich vertrete in diesem Punkt nun mal eine andere
Meinung. Nämlich die, dass es da eine Grenze gibt, wo die
Privatsphäre eines Paares beginnt, die den Rest der Menschheit
schlichtweg nichts angeht. Auch wenn einem neugierige Kumpels,
Freundinnen, Mütter u.a. mit bohrenden Fragen in den Ohren
liegen.
Bis
hierher und nicht weiter! Keine Diskussion!
Um
keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin nicht
grundsätzlich dagegen, über die eigene Partnerschaft zu reden
(s.u.), aber es gibt da meiner Meinung nach doch einen
Bereich, der in derartigen Gesprächen ausgespart bleiben
sollte.
Klar,
soll man über seine Liebe reden!
Das
ist sogar ein natürliches Bedürfnis. Gerade, wenn man frisch
verliebt ist und auf Wolke Sieben schwebt, möchte man der
ganzen Welt von seinem Glück erzählen und daran teilhaben
lassen. Es geht auch völlig in Ordnung, von gemeinsamen
Unternehmungen, romantischen Erlebnissen, liebenswerten
Eigenschaften oder künftigen Plänen zu erzählen.
Auch
das Thema Sexualität ist in meinen Augen nicht tabu, aber eben
in gewissen Grenzen. Denn es macht sehr wohl einen
Unterschied, ob ich erzähle, dass wir schon miteinander
geschlafen haben und es sehr schön war, oder ob ich erzähle,
dass wir "es" zweimal täglich, am liebsten auf dem blanken
Fußboden und in der Reiterstellung tun. DAS geht keinen was
an! Auch wenn die Zuhörer genau auf solche Einzelheiten scharf
sind und gar nicht genug davon erfahren können. Schließlich
bin ich kein gläserner Bürger!
Ich
finde, es reicht vollkommen aus, wenn sie wissen, dass ich ein
Sexualleben habe und dass ich zufrieden bin. Wenn es in meinem
Sexualleben Schwierigkeiten geben würde, dann wäre das eine
Angelegenheit zwischen meinem Partner und mir, die wir
entweder alleine oder mit fachlicher Hilfe angehen würden,
aber die ich sicher nicht jedermann auf die Nase binden will.
Genauso
wenig wie ich erfahren möchte, dass X viermal hintereinander
kann, Y einen süßen Leberfleck auf seinem besten Stück hat,
den man nur sehen kann, wenn er ..., und Z beim Orgasmus immer
wie ein Kätzchen maunzt, genauso wenig möchte ich derartige
intime Details aus meinem eigenen Liebesleben preisgeben.
Die
Vorlieben, Techniken, Leistungen, Angewohnheiten, Frequenzen,
körperlichen Makel bzw. Vorzüge anderer Paare interessieren
mich nicht!
Meine
Liebe gehört mir!
Und
meinem Partner. Das war´s dann aber auch schon.
Was
ich von meiner Liebe erzählen möchte, entscheide ich immer
noch selber und ich werde mich sicher niemals von
sensationslüsternen oder einfach auch nur neugierigen Voyeuren
dazu drängen lassen, sie über Dinge aus meinem Liebesleben zu
informieren, die meiner Meinung nach nur mich und meinen
Partner etwas angehen. Wenn andere das Bedürfnis haben, ihre
Sexualität schonungslos vor ihren Mitmenschen auszubreiten,
bitte schön. Ich gehöre nun mal nicht dazu.
Denn
meine Liebe gehört mir.
Der
Rest der Menschheit muss sich eben mit Andeutungen und vagen
Angaben zufrieden geben.
Das
regt wenigstens die Fantasie an...
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2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright Corel Gallery Draw
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