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Im Doppelpack
„Schau mal unauffällig zum Nebentisch rechts hinter dir!", flüsterte Cornelia leise, während sie so tat, als würde sie von ihrem Milchshake trinken. „Der ist doch wahnsinnig süß, nicht?" Sie saß zusammen mit ihrer besten Freundin Sophie in ihrer Lieblingseisdiele. Leider zum letzten Mal in der Saison, denn Anfang Oktober ist der Sommer endgültig vorbei und dann würde die Eisdiele bis zum kommenden Frühjahr ihre Pforten schließen.
„Wow, du hast wirklich Geschmack!", grinste Sophie, nachdem sie einen flüchtigen Blick auf das Objekt von Cornelias Begierde geworfen hatte. „Wenn ich nicht in festen Händen wäre, könnte ich glatt mit dir um ihn kämpfen!" Sie lachte, als sie die erschrockene Miene ihrer Freundin sah. „Keine Angst, Conny!", fuhr sie beruhigend fort, „du weißt doch, dass ich dir niemals einen Kerl ausspannen würde, oder?"
Conny nickte. Das hatte Sophie ja auch nicht nötig. Sie war eines der hübschesten Mädchen an der Schule, nur logisch, dass sich Conny neben ihr immer wie ein hässliches Entlein vorkam. Es war eher ein Wunder, dass ihre langjährige Freundschaft nicht darunter gelitten hatte, dass Sophie sich vor männlichen Verehrern kaum retten konnte, während Conny vom Jungen-Kuchen höchstens ein paar mickrige Krümel abbekam. Sie durchlebte zum Thema Boys gerade eine mehrmonatige Flaute, ein Zustand, den sie möglichst schnell hinter sich lassen wollte. Ganz anders Sophie. Die war seit einem Jahr mit Marcel, einem eher unscheinbaren Jungen aus der Parallelklasse zusammen. Die beiden verstanden sich prima, was Conny immer einen kleinen Stich versetzte, wenn sie mit den beiden Turteltauben zusammen war.
„Ich glaube, der beobachtet uns!", riss Sophie sie wieder aus ihren Gedanken. „Und zwar dich, eindeutig!" „Das kann nicht sein!", widersprach Conny. „Wetten?", beharrte Sophie. „Das können wir ganz rasch austesten, schick ihm einfach ein kleines Lächeln rüber!" „Das trau ich mich nicht!", wehrte Conny ab, der allein schon beim Gedanken daran die Röte ins Gesicht schoss. „So wirst du nie zu Potte kommen!", stöhnte Sophie, als sie merkte, dass Conny auf ihrer ablehnenden Haltung bestehen würde. Plötzlich kam ihr eine Idee, sie zupfte Conny am Arm und lächelte sie verschmitzt an. „Ich weiß was wir tun, damit ihr euch kennenlernt", erklärte sie. „Du lässt nach dem Zahlen deinen Geldbeutel liegen, wenn wir gehen, du vergisst ihn. Und dein Schwarm wird ihn finden und dich anrufen!" „Und wenn ihn jemand anders findet?", zweifelte Conny an dem wunderbar einfach klingenden Plan ihrer Freundin. „Außer unseren beiden Tischen und dem ganz rechts neben der Tür ist keiner besetzt. Das muss klappen!"
Gesagt, getan.
„Und, wie war's?", fiel Sophie drei Tage später über Conny her, als diese zufrieden lächelnd das Klassenzimmer betrat. „Ich platze schon vor Neugier!" Statt einer Antwort nahm Conny sie erst einmal in den Arm, drückte sie fest und ließ Sophie erst wieder los, als diese zappelnd nach Luft schnappte. „Ach, Sophie!", rief Conny mit strahlendem Gesicht. „Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt!" „Das sagt ja schon Alles", grinste Sophie, die sich ehrlich mit ihrer Freundin freute. „Aber jetzt raus mit der Sprache, ich will alles wissen. Jede noch so winzige Einzelheit!"
Conny lachte belustigt auf und erzählte, wie sie den gestrigen Nachmittag mit Timo, ihrem Schwarm aus der Eisdiele, verbracht hatte.
Der hatte sich tatsächlich noch am gleichen Tag gemeldet, um Conny über ihren „verlorenen" Geldbeutel zu informieren. Für gestern Nachmittag hatten sie dann einen Termin zur „Übergabe" vereinbart, den Conny, nach Anweisungen von Sophie, sofort zu einem gemeinsamen Pizzaessen als Finderlohn umgemünzt hatte. Eine gemeinsame Pizza sollte reichen, um sich näherzukommen, hatte Sophie gemeint. Und sie hatte wie immer recht behalten. Timo und Conny waren sich tatsächlich „näher" gekommen, denn nach einer tollen Unterhaltung, waren sie händchenhaltend einmal um den Block gelaufen, um den Abschied möglichst lange hinauszuzögern, und hatten sich schließlich an ihren Fahrrädern mit einem zarten ersten Kuss verabschiedet. Am Samstag hatten sie sich fürs Kino verabredet, vorher ging nicht, denn Timo hatte jeden Freitagabend Volleyball-Training.
„Mich hat es total erwischt!", beendete Conny ihren begeisterten Redeschwall und rollte verzückt mit den Augen. „Das ist nicht zu übersehen!", lachte Sophie und nahm nun ihrerseits Conny in den Arm.
„Puh, ich brauch jetzt unbedingt was zu trinken!", stöhnte Sophie, als sie nach fünf Songs am Stück von der Tanzfläche zurückkam. Conny hatte bereits bei der letzten Nummer gestreikt, obwohl es sich um einen ihrer derzeitigen Favoriten handelte. Doch nach der ausgelassenen Tanzerei zuvor hatte sie wirklich nicht mehr gekonnt. Es war Freitagabend und die beiden Freundinnen vergnügten sich in der beliebtesten Disco der Stadt. Zu zweit, denn Marcel lag mit einer Grippe im Bett.
„Mir geht es genauso", antwortete Conny daher. „Lass uns zum Tresen gehen und uns eine Apfelsaftschorle holen!" „Aber eine große!", meinte Sophie und zerrte Conny am Ärmel mit.
„Ist dir nicht gut?", erkundigte sich Sophie wenig später, als sie bemerkte, dass Conny ein Gesicht machte, als wäre sie einem schrecklichen Ungeheuer begegnet. Conny zeigte keine Reaktion. „Hey, was ist denn plötzlich mit dir los!", bohrte Sophie nach und knuffte ihrer besten Freundin in die Seite, aus der mit einem Male jegliches Leben gewichen zu sein schien.
„Schau mal an den Durchgang zu den Toiletten!", brachte Conny schließlich hervor. Sophie folgte ihrem versteinerten Blick. „Hei, das ist ja dein Timo!", wunderte sie sich kurz darauf. „Ich habe gedacht, der ist beim Volleyball!" „Dachte ich eigentlich auch", schnaubte Conny verächtlich, "er hat mich angelogen!" „Sachte, sachte", wollte Sophie beschwichtigen, „vielleicht stellt sich das morgen als lächerlicher Irrtum heraus!"
„Und das wohl auch?", stieß Conny kurz darauf verbittert hervor und schluchzte unvermittelt los. Sophie schaute wieder in Timos Richtung, gerade rechtzeitig, um zu sehen, dass er der hübschen Blondine, die er nun im Arm hielt und leidenschaftlich küsste, mit der rechten Hand unter deren knappe Bluse griff. „Dieses Schwein!", schimpfte sie aufgebracht und wandte sich anschließend Conny zu: „Komm, lass uns hier verschwinden, das reicht!"
„Einen Moment, erst muss ich noch was erledigen!", entgegnete Conny, bevor sie entschlossen zu Timo marschierte und ihm zu Sophies Begeisterung eine schallende Ohrfeige verabreichte. „Spinnst du?", schimpfte der wütend. „Wer ist die verrückte Tussi?", wollte die Blondine wissen. „Schatz, gibt es da etwas, das sich nicht weiß?"
Ihr besitzergreifender Blick gab Conny den Rest. „Oh ja, vor zwei Tagen hat dein Süßer noch mich geküsst!". Ihr verächtliches Lachen erstarb beinahe umgehend, da es ihr regelrecht im Hals stecken blieb. „Stimmt das, Tobias?", die schrille Stimme des Mädchens klang inzwischen ziemlich unsicher. Tobias?!? Bei Conny schrillten die Alarmglocken.
„Ich kenne sie wirklich nicht!", beteuerte der umkämpfte Lover. „Das muss das Mädchen sein, von dem uns Timo so vorgeschwärmt hat. Seine große Liebe aus der Eisdiele!" Er rieb sich seine glühende Wange. „Du heißt Cornelia, stimmt's?", fragte er und streckte Conny seine Hand hin. „Ich bin Tobias, Timos Zwillingsbruder, den er dir wahrscheinlich vor lauter Aufregung unterschlagen hat." Er lachte freundlich. „Ich muss schon sagen, eine wirklich starke Frau, die er sich da geangelt hat!"
„Tut mir leid!", stammelte Conny entschuldigend. „Aber ich habe geglaubt..." „Dass Timo dich betrügt? Nie! Der ist bis über beide Ohren in dich verliebt!", meinte Tobias unverblümt.
Und ich in ihn, dachte Conny und freute sich riesig auf den Kinoabend morgen und alles andere, was sie mit Timo noch erleben würde...
© 2000 Anja Gerstberger, Bilder: © Corel Gallery Magic, verwendet in Lizenz
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