Ampel-Paare

Begriffserklärung
Unfähigkeit zu "normaler" Beziehung
Gründe für ständige Versöhnungen

Sie können nicht miteinander und nicht ohne einander.
Nach Wolke Sieben fliegen die Fetzen. Vorübergehende Trennung. Wie gesagt, vorübergehend. Denn die Herz ergreifende Versöhnung steht schon vor der Tür. Und das ganze Spiel beginnt von vorne.
Liebe, Streit, Trennung, Versöhnung.
Thomas und Sandra aus meinem Bekanntenkreis haben dieses publikumswirksame Liebesdrama in vier Akten stolze drei Jahre aufgeführt. Wenn ich richtig mitgezählt habe, waren das elf Trennungen. Die letzte schließlich endgültig.
Ein typisches Ampel-Paar.
Für die es auch genügend Promi-Beispiele gibt: Liz Taylor und Richard Burton oder Pamela Anderson und Tommy Lee Jones.


Was ist ein Ampel-Paar?

So genannte Ampel-Beziehungen sind von einem ständigen Wechsel von Grün auf Rot mit vorgeschaltete Gelbphase gekennzeichnet.

Grün wie die Hoffnung und das prächtige Liebespflänzchen. Als Sandra und Thomas sich vor drei Jahren auf einer Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes kennen gelernt haben, haben die Leute um sie herum vor dem Pärchen selber gemerkt, dass da gefühlsmäßig etwas keimt. Der Spross wuchs schnell und gedieh prächtig. Zwei verliebte Turteltauben, die ihre Emotionen voll auslebten. Hemmungslose Knutscherei in aller Öffentlichkeit, nicht selten hart an der Grenze guten Geschmacks. Ein glückliches Paar.

Bis die erste Gelbphase kam. In Form eines heftigen Streites, der die Lunte zum späteren Rot legte. Schuld an der Misere war ein Techtelmechtel Sandras mit einem Vereinskameraden auf dem Zeltlager der Sportvereins. Das sie Thomas unterschlug, der das Ganze natürlich von anderer Seite gesteckt kam. Es knallte mächtig im Karton. Sandra heulte und flehte, Thomas tobte, gab ihr aber eine zweite Chance. Doch die giftige Saat der Untreue war auf fruchtbaren Boden gefallen, denn künftig verfolgte Thomas seine Liebste mit einer Überportion Eifersucht. Lautstarke Szenen inbegrifffen.

Als Sandra schließlich die Nase voll von den peinlichen Überwachungs- und Rechtfertigungsritualen hatte, machte sie Schluss. Die Liebesampel sprang um auf Rot. Absoluter Stillstand.

Doch auf Rot folgte bald Grün. An Sandras Geburtstag tauchte Thomas unaufgefordert auf und eroberte erneut ihr Herz. Runde Zwei begann. Fortsetzung siehe oben. Mal baute er Mist, mal provozierte sie das Aus. Mal bot sie die Friedenspfeife an, mal er. Ihre Bekannten regten sich über das Beziehungstheater der beiden bald nicht mehr auf, sondern registrierten nur noch den jeweils aktuellen Stand der Dinge. Emotionslos, wenn auch nicht immer kommentarlos. Die endgültige Trennung nahmen sie erst dann wahr, als Sandra und Thomas mit neuen Partnern erschienen.


Warum können Ampel-Paare keine "normale" Beziehung führen?

• Weil sie in Liebesangelegenheiten ausgesprochene Hitzköpfe sind, die sämtliche Gefühle - innige Zärtlichkeit ebenso wie unbeherrschte Wut - mit großer Intensität ausleben. Ihr Emotionsschreiber zeichnet keine sanften Wellenbewegungen auf, sondern extreme Ausschläge nach oben und unten. Ein stetes Auf und Ab. Zwischen begeistertem Liebestaumel und erbittertem Kampf. Ein brodelnder Beziehungsvulkan. Leidenschaft pur.

• Zu dieser stark ausgeprägten Emotionalität gesellt sich bei den Ampel-Paaren ein anderes Verständnis von Partnerschaft. Mit Werten wie Geduld, Verständnis, Selbstbeherrschung oder Kompromissbereitschaft haben sie wenig am Hut. Das eigene Ich und die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse sind ihnen wichtiger als die Geborgenheit eines fordernden Partners. Wie sonst ließen sich die Seitensprünge oder andere Bockmist-Aktionen erklären?

• Ein weiterer Punkt ist die Sehnsucht nach dem Gefühl des Frischverliebtseins. Irgendwann stellt sich bei jedem Paar der Beziehungsalltag ein. Das aufregende Prickeln ist wohliger Ruhe gewichen. Die Ausschüttung berauschender Endorphine nimmt deutlich ab. Mit jeder Versöhnung kehren die Ampel-Paare zum rosaroten Ausgangspunkt zurück. Mit jedem Streit flüchten sie vor dem normalen Beziehungsleben, das sie als wenig erstrebenswert und irgendwie auch bedrohlich halten. Beziehungsarbeit ist nicht ihr Ding, dann doch lieber zurück auf Los.

• Nicht zuletzt haben Ampel-Paare ein Problem mit ihrer Kommunikation. Anstatt Konflikte auf vernünftige Art und Weise auszutragen und Streitthemen auszudiskutieren, wählen sie die scheinbar leichtere Variante von Rache oder Gefühlsverweigerung. Schließlich ist diese "Sprache" mehr als deutlich und wird von jedem verstanden. Da sie nicht gelernt haben, ihre Bedürfnisse und Gefühle ehrlich auszudrücken, neigen sie oft zu Überreaktionen.

• Tja, und dann gibt es noch einige wenige Exemplare, die diese Beziehungs-Achterbahnfahrt regelrecht genießen und die ständigen Reibereien und Extrem-Gefühlssituationen wie ein spannendes Abenteuer erleben. Ein aufregender Kick, ein nervenaufreibender Thrill, der süchtig nach Mehr macht. Ein bewusstes, aber nicht minder gefährliches Spiel mit dem Feuer.


Warum kommt es wider jeder Vernunft immer wieder zur Versöhnung?

Für Außenstehende sind derartige An-Aus-Beziehungen nur schwer nachvollziehbar, eben deshalb, weil sie von anderen Werten ausgehen und vernunftgesteuerter sind.

Dennoch ist man irgendwo auch fasziniert davon, mit welch grenzenlosem Optimismus diese Beziehungs-Knipser in die nächste Runde starten.

Aus folgenden Gründen können finden Ampel-Paare immer wieder zusammen:

• Jeder neue Versuch ist eine Herausforderung, es diesmal zu schaffen.

• Die traumhaften Highlights wiegen stärker als die alptraumhaften Downs.

• Die Partner sind emotional gleich gepolt und in gewissem Maße auch aufeinander fixiert.

• Die Sexualität dieser Paare ist meist besonders intensiv und anregend. Und so gut wie nie langweilig.

• Derartige Paare haben sich eine eigene, für andere nicht zugängliche Welt geschaffen. Das schweißt zusammen, wenn auch nur für begrenzte Zeit.

• In "normalen" Beziehungen mit anderen Partnern wären sie möglicherweise überfordert. Bei ihrem "alten" Partner wissen sie hingegen, dass er an ihre Toleranz oder Verständnis nur begrenzte Ansprüche stellt.

Und die Aussichten solcher Paare?

Die sind eher schlecht. Weil die fortwährenden Zerreißproben eine Menge Kraft und Energie kosten. Irgendwann werden die Akkus leer und die beteiligten Partner ausgebrannt sein. Und das Beziehungs-Drama hat endlich ein Ende.

© 2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright by Corel Draw, verwendet in Lizenz