Sexuelle Gewalt - die dunkle Seite der Sexualität


Sexualität sollte eigentlich etwas Wunderschönes sein, die persönlichste Form, meine Liebe gegenüber einem anderen Menschen auszudrücken.

Leider ist auch dieser Bereich der Liebe nicht frei von Gewalt und Missbrauch und dann kehrt sich die Sexualität auf entsetzliche Weise in das Gegenteil ihrer Bestimmung um.

Statt Liebe Angst, Aggression und Unterdrückung.

Von Liebe keine Spur mehr.

Dabei treten die Schattenseiten der Sexualität in den unterschiedlichsten Ausprägungen und Graden auf, reichen von einer eindeutig zweideutigen verletzenden Bemerkung bis hin zu Vergewaltigung oder Inzest.


Was versteht man unter sexueller Gewalt?

Jede Form ungewollter sexueller Aufmerksamkeit sowie Sexualität gegen seinen Willen. Man teilt die Erscheinungsformen sexueller Gewalt je nach "Schwere" in die Begriffe sexuelle Belästigung, sexuelle Nötigung, sexueller Missbrauch, Inzest und Vergewaltigung ein.

Während die schlimmsten Formen sexueller Gewalt, Vergewaltigung und Inzest, eher selten vorkommen (wobei hier die Zahlen natürlich relativ zu betrachten sind, denn jeder Fall ist einer zu viel!!!) - wohl auch wegen einer beträchtlichen Dunkelziffer unbekannter Fälle -, ist die Wahrscheinlichkeit für ein Mädchen bzw. eine Frau, in ihrem Leben mit sexueller Belästigung konfrontiert zu werden, ziemlich hoch und dürfte nahe hundert Prozent liegen. Wenn du später die Beispiele für sexuelle Belästigung durchliest, wirst du dich über diese Zahl nicht mehr wundern.


Begriffe rund ums Thema

Sexuelle Belästigung

Sie ist gewissermaßen die "unterste" Ebene sexueller Gewalt und wird häufig auch recht unterschiedlich wahrgenommen. Während das eine Mädchen eine Art Stolz empfindet, wenn ihr ein Vertreter des starken Geschlechts auf ihre Oberweite starrt, fühlt sich ein anderes Mädchen verunsichert und unwohl, ein eindeutiges Zeichen für sexuelle Belästigung. Nicht jede Frau kann über ordinäre Witze lachen oder freche Kommentare unter die Gürtellinie einfach lässig überhören. Jede Form sexueller Aufmerksamkeit, die dir ungewollt entgegengebracht wird, fällt unter die Rubrik "sexuelle Belästigung" .

Das kann sein:

• anzügliche Blicke auf den Busen

• schlüpfrige Kommentare

• versaute Witze

• nachpfeifen

• Zeigen von pornografischen Zeitschriften und entwürdigenden Fotos

• unverschämte "Komplimente" ("Mann, hast du einen geilen Hintern!")

• Gossensprache für Körperteile ("Titten")

• eindeutige Angebote zu sexuellen Handlungen

• "zufällige" Berührungen, vor allem an Brust oder Po

• Entblößen des eigenen Geschlechtsteils vor dem Opfer

• Masturbation vor dem Opfer

• ungewollte Küsse auf den Mund


Sexuelle Nötigung

Sexuelle Nötigung ist bereits strafbar (Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu zehn Jahren). Sie meint alle sexuellen Gewalttaten, bei denen es nicht zum vaginalen Geschlechtsverkehr gekommen ist, also auch mit Gewalt oder durch Drohungen erzwungener oraler und analer Geschlechtsverkehr sowie erzwungene homosexuelle Handlungen.

Sie liegt dann vor, wenn der Partner psychisch unter Druck gesetzt und zu sexuellen Handlungen gedrängt wird, die er nicht oder wenigstens nicht in diesem Moment tun möchte.

In eine derartige Situation kannst du wesentlich schneller kommen, als dir lieb sein dürfte. Du bist verliebt und schmust ziemlich heftig mit deinem Partner, der daraufhin, von deinen bisherigen Zärtlichkeiten ermutigt, mit dir schlafen will, aber du nicht mit ihm. Viele Jungen wollen so "kurz vor dem Ziel" nicht glauben, dass ihre Partnerin tatsächlich "nein" meint, wenn sie "nein" sagt. Sie glauben, das Mädchen sei nur etwas zickig oder lege es darauf an, erobert zu werden. Besteht das Mädchen dann auf ihrem Nein, reagieren viele Jungen dann ihren Frust ab, indem sie sie beschimpfen, lächerlich machen oder gar mit Trennung drohen. In diesem Fall solltest du deinen Lover umgehend in die Wüste schicken, und zwar sofort!


Vergewaltigung

Unter den Begriff der Vergewaltigung fällt jeder Sex, der unter Zwang ausgeübt wird. Der Zwang kann körperliche Gewalt oder das Androhen von schlimmen Folgen sein. (vgl. eigener Artikel)


Inzest

Inzest meint die sexuellen Kontakte unter Familienangehörigen, also Bruder-Schwester, Vater-Tochter, Mutter-Sohn, Opa-Enkelin. Der Begriff Familienangehörige schließt dabei auch die nicht Blutsverwandten wie Stiefvater oder Stiefschwester mit ein.

Die Palette der sexuellen Übergriffe beim Inzest ist breit gefächert und reicht von Küssen und Streicheln bis hin zum erzwungenen Geschlechtsverkehr.

Inzest steht bei nahezu allen Völkern auf der Welt unter Strafe, nicht zuletzt deswegen, weil Kinder, die bei derartigen Beziehungen gezeugt werden, überdurchschnittlich oft mit geistigen und körperlichen Schäden geboren werden. Außerdem hat Inzest katastrophale Folgen für die seelische Gesundheit und die sexuelle Entwicklung des betroffenen Kindes. Inzest ist für die Opfer vor allem deshalb so furchtbar, weil er sich nicht selten unter dem Mitwissen der anderen Familienmitglieder abspielt und geduldet wird, so dass das Vertrauen in die eigene Familie erschüttert wird.

Bei Inzest gilt das gleiche wie bei sexuellem Missbrauch: Sprich mit einer erwachsenen Vertrauensperson über dein Problem, sie wird dann die erforderlichen Schritte in die Wege leiten und dir helfen.


Wie soll ich bei sexueller Belästigung reagieren?

Auf jeden Fall mit deutlicher Gegenwehr und Ablehnung! Lass dich bloß nicht dadurch einschüchtern, dass der Täter älter oder gar eine Autoritätsperson (Lehrer, Arzt, Trainer, Verwandter) von dir ist! Sage laut "Lass das sein!", das wirkt abschreckend, vor allem, wenn sich noch andere Personen in eurer Nähe aufhalten.

Wenn es dir vor Schreck die Sprache verschlägt, dann wende dich wenigstens ab, drehe den Kopf zur Seite, schlage auf seine Finger, befreie dich aus seinem Griff, laufe weg.

Vermeide künftig den Kontakt mit der betreffenden Person! Sollte sich das nicht vermeiden lassen (z.B. wenn es sich um einen Verwandten oder deinen Lehrer handelt), informiere deine Eltern über das, was vorgefallen ist.


Du hast das Recht "Nein" zu sagen!

Vergiss nie, du hast in jeder Situation das Recht, Sexualität abzulehnen!

Egal, ob dir dein Partner teure Geschenke gemacht hat, in der Hoffnung, deine Gunst erkaufen zu können.

Egal, ob du dich mit deinem Partner bereits auf Petting eingelassen hast.

Egal, ob es sich bei dem verhinderten Liebhaber um deinen festen Freund handelt. Egal, ob du davor bereits mit deinem Freund geschlafen hast.

Jetzt ist jetzt, und du bist frei in deiner Entscheidung, klaro?


Wie kann ich mich vor sexueller Gewalt schützen?

Einen hundertprozentigen Schutz kann dir niemand garantieren, aber beherzige folgende Verhaltensregeln und du selbst hast alles, was du zu deinem Schutz selbst beitragen kannst, getan:

• Verzichte darauf, dich von Jungen oder Männern, die du eben erst (auf einer Party, im Kino, auf dem Sportplatz, im Schwimmbad o.ä.) kennen gelernt hast nach Hause bringen zu lassen. Lehne auch ab, sie alleine in ihre Wohnung zu begleiten!

• Gehe auf Partys den Jungen aus dem Weg, die eindeutig zu viel Alkohol getrunken haben. Alkohol macht nämlich aggressiv und lässt Hemmschwellen sinken.

• Vermeide bei Dunkelheit, alleine auf die Straße zu gehen oder mit der U-Bahn zu fahren.

• Nimm an einem Selbstverteidigungskurs teil!

• Besorge dir ein Spray mit Reizgas oder ein Gerät, mit dem du elektrische Schläge austeilen kannst. Verwende derartige Mittel aber nur nach vorheriger Übung!

• Reagiere im Notfall mit lautem Schreien, um den Täter zu verunsichern und in die Flucht zu schlagen.



Wo kann ich mich hinwenden, wenn ich Hilfe brauche?

• Sorgentelefon des Kinderschutzbundes:030/4561524

• "Wildwasser" e.V. Mädchenberatungsstellen (Tel.: 030/7 86 50 17 oder 2 82 44 27)

• Zartbitter e.V. (Tel.: 0221/31 20 55)

• Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendtelefon e.V. (Tel.: 0800/ 1 11 03 33, kostenfrei!)

• Kobra (Tel.:0711/243865)

• Pro Familia (Tel.: 069/639002)

• Familien-Notruf München (Tel.: 089/269194)

• Arbeitskreis Niedersächsischer Frauen- und Kinderschutzhäuser (Tel.: 0511/323202)


© 2000 Anja Gerstberger