Verliebt in einen Star Zwischen Fankult und Hysterie Jana ist total in den Sänger einer Boygroup verknallt. Drei einzelne "Verrückte" oder nur zufällig herausgegriffene
Beispiele eines Massenphänomens? Wohl jeder von uns hat so seine
Idole. Sportler, Fernsehleute, Musiker oder Schauspieler, die
einem gefallen, die man cool findet. Weil sie tolle Arbeit
abliefern, man auf ihre Musik steht oder sie einfach nur gut
aussehen. Auch in meinem Jugendzimmer hingen die entsprechenden Poster an
der Wand, auch ich bin zu Konzerten gefahren. Doch die Grenze
vom typischen Fankult hin zur vernunftswidrigen Hysterie, auf
die Eltern entweder mit Kopfschütteln oder tiefen Sorgenfalten
reagieren, habe ich nie übertreten. Weil ich eben nie in einen
Superstar verknallt war. Im Gegensatz zu meiner Freundin Martina, die sich in einen
bekannten TV-Moderator verknallt hatte und ihre Fanliebe mit
allem Drum und Dran auslebte. Sie sammelte jeden Schnipsel von
ihrem Liebsten und legte einen fetten, liebevoll gestalteten
Ordner an. Sie verpasste keine seiner Sendungen und nahm alle
auf Video auf, um ihren Liebling wieder und wieder anschauen zu
können. Sie malte mit leuchtenden Augen und voller Überzeugung
eine gemeinsame Zukunft aus und reagierte auf kritische Einwände
mit beleidigte Empörung, so dass ich irgendwann damit aufhörte
und sie ihrem Wahn überließ. Als ihr Angebeter schließlich
heiratete, brach für Martina eine Welt zusammen und vielleicht
auch für andere seiner weiblichen Fans. Als Nichtbetroffene werde ich wohl nie verstehen können, wie
man sich mit solcher Wucht und Besessenheit in eine so
aussichtslose Liebe zu einer unerreichbaren Person stürzen kann.
Ich fand Martinas Verhalten kindisch und nervig. Und so wie mir
dürfte es den meisten Leuten in der Umgebung eines verliebten
Fans ergehen. Belastungsprobe für die Umwelt • Menschen, die es mit einem verliebten Fan zu tun haben,
müssen schon ein gehörig dickes Fell haben. Die Eltern
tolerieren zwar noch die äußerliche Umwandlung des Jugendzimmers
in eine Fankultstätte, bekommen aber ein mulmiges Gefühl, wenn
die Konzertbesuche das normale Maß überschreiten. So wie bei
Jana, die ihrem Star quer durch die gesamte Republik nachgereist
war und keinen seiner Auftritte versäumt hatte. Sogar die im
grenznahen, benachbarten Ausland nicht. Kein Wunder, dass ihre
Eltern nicht begeistert waren, dass für diese "hirnrissigen"
Aktionen Janas gesamtes Taschengeld und beinahe auch ihre
Ersparnisse draufgingen! • Auch Susannes Freund Markus leidet mächtig unter der Fanliebe
seiner Liebsten. Weil er es einfach nicht begreifen kann, dass
sie gleichzeitig mit ihm befreundet, aber auch einen Star
anbeten kann. Wer mag es ihm verdenken, dass er den ach so
schrecklich perfekten, unliebsamen Konkurrenten am liebsten auf
den Mond schießen würde und bei jedem schlechten Spiel des
Fußballstars heimlich ins Fäustchen lacht? Wenn er schon seine
Susa ins Stadion begleiten und ihr hingebungsvolles Gekreische
anhören muss, dann will er wenigstens ein kleines Vergnügen
haben... • Und Torsten, Torsten geht seinem Kumpel Alex mächtig auf den
Keks. Alex ist nämlich der einzige, dem sich Torsten bisher
anvertraut hat. Dem er gestanden hat, dass er sich in diese
supersüße Schauspielerin aus der Kultserie Soundso verliebt hat.
Mit Alex ist Torsten seit Kindergartentagen befreundet, auf den
kann er sich verlassen, der hält dicht. Denn für einen Jungen
ist es mit einer unerfüllten Fanliebe viel schwieriger. Bei
Mädchen lässt man sich so einen pubertären "Quatsch" ja gerade
noch angehen, aber bei einem Jungen?!?!? Das muss ja ein völlig
verklemmter Volltrottel sein, den man nur noch bemitleiden kann.
Aber ernst nehmen? Und so lädt Torsten seine Gedanken und
Gefühlsseifenblasen eben bei Alex ab. Der ihm so geduldig
zuhört, weil er mittlerweile automatisch seine Ohren auf
Durchzug stellt, wenn ihm Torsten mit dem besagten Thema kommt Ein kleiner Trost für die "Opfer" einer solch anstrengenden
Fanliebe: Es handelt sich dabei nur um eine vorübergehende
Phase... Ist Fanliebe überhaupt ernst zu
nehmen? Ja, wenn auch mit gewissen
Einschränkungen. Denn Gefühle, die echt sind - und jeder Fan
hält nun mal seine Empfindungen für echt!-, dürfen nicht
ausgelacht werden. Selbst, wenn sie sich auf einen
unerreichbaren Star beziehen und damit jeglicher Vernunft
widersprechen. Ob man diese Gefühle dann als "Schwärmerei" oder
als "Liebe" bezeichnet, ist eigentlich nicht so wichtig. Zumal
wir alle wissen, dass die Liebe als solche die verschiedensten
Formen kennt: Eltern-Kind-Liebe, Geschwister-Liebe, Tierliebe,
romantische Liebe usw. Darum, aber auch aus dem Grund, der im nächsten Abschnitt
ausführlicher erläutert wird, sollten Mädchen und Jungen, die
sich in einen prominente Person verliebt haben, nicht ausgelacht
und geärgert werden, sondern ihre derzeitige Gefühlsphase
ausleben dürfen. Jugendliche, die einen Star "lieben", tun damit immer auch
etwas für ihre gefühlsmäßige Entwicklung und Reife. Sie experimentieren nämlich dabei auf ungefährlichem Terrain
mit ihren Gefühlen und probieren unterschiedliche Umgangsformen
mit ihren Gefühlen (träumen, sehnen, sich hingeben, sich
ohnmächtig fühlen...) aus. Fanliebe ist für sie eine Art Spiel,
bei dem sie ihre Empfindungen in vollen Zügen auskosten und
ausleben können, ohne dabei Angst vor einer Riesenenttäuschung
haben zu müssen. Bei der Liebe, ob nun zu einem Star oder einem "richtigen"
Partner, spielt sich immer sehr viel im Kopf ab und nur ein Teil
davon wird in der Realität auch tatsächlich umgesetzt. So kann
es bei einer Fanliebe, wo sich eine Liebe nur in Gedanken und in
der Fantasie abspielt, aber in der Wirklichkeit keine Erfüllung
findet, dann auch keine schlimmen Enttäuschungen geben. Die
kommen noch früh genug im späteren Leben, wenn aus dem
unverbindlichen Gedankenspiel eine "leibhaftige" Liebe in Form
einer konkreten Beziehung zu einem Menschen aus Fleisch und Blut
geworden ist... Leider kann sich eine eigentlich harmlose Fanliebe zu einer
regelrechten Gefahr auswachsen, nämlich dann, wenn • Sich die Betroffene finanziell ruiniert oder sogar Schulden
macht, um seinen Fankult mit Reisen, Eintrittskartenn,
Fanartikeln u.ä.pflegen zu können. • Sich die Betroffene in seinen Tagträumen in eine Traumwelt
flüchtet und die Wirklichkeit um sich herum nicht mehr wahrnimmt
oder verleugnet. • Sich der Betroffene durch seinen Starkult von seinen
Mitmenschen abgrenzt und zum Außenseiter wird. • Die Betroffene die Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung
durch ihr Verhalten verletzt und vor den Kopf stößt. An alle Verliebten: Die Welt wird auch dann nicht untergehen,
wenn sich deine Liebe nicht erfüllt... © 2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright by Corel Gallery Magic und MacMillan Inc., verwendet in Lizenz
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