Verliebt in einen Star

Zwischen Fankult und Hysterie
Überhaupt ernst zu nhemen?
Belastungsprobe für die anderen
Fanliebe als Gefühlsschule
Fanliebe als Gefahr

Jana ist total in den Sänger einer Boygroup verknallt.
Torsten hat es die süße Soap-Darstellerin angetan.
Susanne wiederum hat ihr Herz an den neuen Jungstar ihres Lieblingsfußballclubs verloren.

Drei einzelne "Verrückte" oder nur zufällig herausgegriffene Beispiele eines Massenphänomens?
Die Wahrheit liegt wohl wie so oft irgendwo dazwischen.
Während viele Jugendliche durchaus durch die Pubertät kommen, ohne Opfer einer aussichtslosen Fanliebe zu werden, erwischt es dagegen etliche ihrer Altersgenossen und sie verlieben sich "unsterblich" in einen prominenten Star.


Zwischen Fankult und Hysterie

Wohl jeder von uns hat so seine Idole. Sportler, Fernsehleute, Musiker oder Schauspieler, die einem gefallen, die man cool findet. Weil sie tolle Arbeit abliefern, man auf ihre Musik steht oder sie einfach nur gut aussehen.

Auch in meinem Jugendzimmer hingen die entsprechenden Poster an der Wand, auch ich bin zu Konzerten gefahren. Doch die Grenze vom typischen Fankult hin zur vernunftswidrigen Hysterie, auf die Eltern entweder mit Kopfschütteln oder tiefen Sorgenfalten reagieren, habe ich nie übertreten. Weil ich eben nie in einen Superstar verknallt war.

Im Gegensatz zu meiner Freundin Martina, die sich in einen bekannten TV-Moderator verknallt hatte und ihre Fanliebe mit allem Drum und Dran auslebte. Sie sammelte jeden Schnipsel von ihrem Liebsten und legte einen fetten, liebevoll gestalteten Ordner an. Sie verpasste keine seiner Sendungen und nahm alle auf Video auf, um ihren Liebling wieder und wieder anschauen zu können. Sie malte mit leuchtenden Augen und voller Überzeugung eine gemeinsame Zukunft aus und reagierte auf kritische Einwände mit beleidigte Empörung, so dass ich irgendwann damit aufhörte und sie ihrem Wahn überließ. Als ihr Angebeter schließlich heiratete, brach für Martina eine Welt zusammen und vielleicht auch für andere seiner weiblichen Fans.

Als Nichtbetroffene werde ich wohl nie verstehen können, wie man sich mit solcher Wucht und Besessenheit in eine so aussichtslose Liebe zu einer unerreichbaren Person stürzen kann. Ich fand Martinas Verhalten kindisch und nervig. Und so wie mir dürfte es den meisten Leuten in der Umgebung eines verliebten Fans ergehen.


Belastungsprobe für die Umwelt

• Menschen, die es mit einem verliebten Fan zu tun haben, müssen schon ein gehörig dickes Fell haben. Die Eltern tolerieren zwar noch die äußerliche Umwandlung des Jugendzimmers in eine Fankultstätte, bekommen aber ein mulmiges Gefühl, wenn die Konzertbesuche das normale Maß überschreiten. So wie bei Jana, die ihrem Star quer durch die gesamte Republik nachgereist war und keinen seiner Auftritte versäumt hatte. Sogar die im grenznahen, benachbarten Ausland nicht. Kein Wunder, dass ihre Eltern nicht begeistert waren, dass für diese "hirnrissigen" Aktionen Janas gesamtes Taschengeld und beinahe auch ihre Ersparnisse draufgingen!

• Auch Susannes Freund Markus leidet mächtig unter der Fanliebe seiner Liebsten. Weil er es einfach nicht begreifen kann, dass sie gleichzeitig mit ihm befreundet, aber auch einen Star anbeten kann. Wer mag es ihm verdenken, dass er den ach so schrecklich perfekten, unliebsamen Konkurrenten am liebsten auf den Mond schießen würde und bei jedem schlechten Spiel des Fußballstars heimlich ins Fäustchen lacht? Wenn er schon seine Susa ins Stadion begleiten und ihr hingebungsvolles Gekreische anhören muss, dann will er wenigstens ein kleines Vergnügen haben...

• Und Torsten, Torsten geht seinem Kumpel Alex mächtig auf den Keks. Alex ist nämlich der einzige, dem sich Torsten bisher anvertraut hat. Dem er gestanden hat, dass er sich in diese supersüße Schauspielerin aus der Kultserie Soundso verliebt hat. Mit Alex ist Torsten seit Kindergartentagen befreundet, auf den kann er sich verlassen, der hält dicht. Denn für einen Jungen ist es mit einer unerfüllten Fanliebe viel schwieriger. Bei Mädchen lässt man sich so einen pubertären "Quatsch" ja gerade noch angehen, aber bei einem Jungen?!?!? Das muss ja ein völlig verklemmter Volltrottel sein, den man nur noch bemitleiden kann. Aber ernst nehmen? Und so lädt Torsten seine Gedanken und Gefühlsseifenblasen eben bei Alex ab. Der ihm so geduldig zuhört, weil er mittlerweile automatisch seine Ohren auf Durchzug stellt, wenn ihm Torsten mit dem besagten Thema kommt

Ein kleiner Trost für die "Opfer" einer solch anstrengenden Fanliebe: Es handelt sich dabei nur um eine vorübergehende Phase...


Ist Fanliebe überhaupt ernst zu nehmen?

Ja, wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Denn Gefühle, die echt sind - und jeder Fan hält nun mal seine Empfindungen für echt!-, dürfen nicht ausgelacht werden. Selbst, wenn sie sich auf einen unerreichbaren Star beziehen und damit jeglicher Vernunft widersprechen. Ob man diese Gefühle dann als "Schwärmerei" oder als "Liebe" bezeichnet, ist eigentlich nicht so wichtig. Zumal wir alle wissen, dass die Liebe als solche die verschiedensten Formen kennt: Eltern-Kind-Liebe, Geschwister-Liebe, Tierliebe, romantische Liebe usw.

Darum, aber auch aus dem Grund, der im nächsten Abschnitt ausführlicher erläutert wird, sollten Mädchen und Jungen, die sich in einen prominente Person verliebt haben, nicht ausgelacht und geärgert werden, sondern ihre derzeitige Gefühlsphase ausleben dürfen.



Fanliebe als Gefühlsschule

Jugendliche, die einen Star "lieben", tun damit immer auch etwas für ihre gefühlsmäßige Entwicklung und Reife.

Sie experimentieren nämlich dabei auf ungefährlichem Terrain mit ihren Gefühlen und probieren unterschiedliche Umgangsformen mit ihren Gefühlen (träumen, sehnen, sich hingeben, sich ohnmächtig fühlen...) aus. Fanliebe ist für sie eine Art Spiel, bei dem sie ihre Empfindungen in vollen Zügen auskosten und ausleben können, ohne dabei Angst vor einer Riesenenttäuschung haben zu müssen.

Bei der Liebe, ob nun zu einem Star oder einem "richtigen" Partner, spielt sich immer sehr viel im Kopf ab und nur ein Teil davon wird in der Realität auch tatsächlich umgesetzt. So kann es bei einer Fanliebe, wo sich eine Liebe nur in Gedanken und in der Fantasie abspielt, aber in der Wirklichkeit keine Erfüllung findet, dann auch keine schlimmen Enttäuschungen geben. Die kommen noch früh genug im späteren Leben, wenn aus dem unverbindlichen Gedankenspiel eine "leibhaftige" Liebe in Form einer konkreten Beziehung zu einem Menschen aus Fleisch und Blut geworden ist...


Jetzt reicht´s!

Leider kann sich eine eigentlich harmlose Fanliebe zu einer regelrechten Gefahr auswachsen, nämlich dann, wenn

• Sich die Betroffene finanziell ruiniert oder sogar Schulden macht, um seinen Fankult mit Reisen, Eintrittskartenn, Fanartikeln u.ä.pflegen zu können.

• Sich die Betroffene in seinen Tagträumen in eine Traumwelt flüchtet und die Wirklichkeit um sich herum nicht mehr wahrnimmt oder verleugnet.

• Sich der Betroffene durch seinen Starkult von seinen Mitmenschen abgrenzt und zum Außenseiter wird.

• Die Betroffene die Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung durch ihr Verhalten verletzt und vor den Kopf stößt.

An alle Verliebten: Die Welt wird auch dann nicht untergehen, wenn sich deine Liebe nicht erfüllt...
An alle Genervten: Kommt Zeit, geht Fanliebe...

© 2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright by Corel Gallery Magic und MacMillan Inc., verwendet in Lizenz