Friedlichen Appetit!

Mahlzeit!

Guten Appetit!

Lasst es euch schmecken!

Wer kennt sie nicht, diese vertrauten Höflichkeitsfloskeln?

Nette Wünsche, die eigentlich die Vorfreude auf die bevorstehende Mahlzeit verstärken sollen, aber oft genug nur geschickt den traurigen Umstand verbergen, dass in zahlreichen Familien das Essen mit trauriger Regelmäßigkeit in einem wilden Kriegsschauplatz endet.

Mit verhärteten Fronten und der stets gleichen Munition.

Schade, wo die leiblichen Genüsse doch zu den größten Vergnügungen der Menschen zählen könnten, wenn, ja wenn nicht die Meinungen darüber von Jung und Alt so weit auseinander gehen würden!

Exotische Küche gegen deutsche Hausmannskost.

Veggie gegen Haxn-Fan.

Genuss statt Vitamine.

Fast food gegen Schmorgericht.

Finger food gegen Messerbänkchen.

Brunch statt Frühstück.

Individualversorgung statt Familienrunden.

Zwei Welten scheinen aufeinander zu prallen, wenn es zwischen den spießigen Eltern und ihren sturen Sprösslingen um das Thema Essen geht.

Hausgemachter Ärger, der sich leicht umgehen oder zumindest entschärfen ließe.

Mit ein wenig Entgegenkommen und ehrlicher Selbstkritik von beiden Seiten keine große Sache.


Welche Essens-Minen am häufigsten explodieren:

Unterschiedliche Essensvorlieben und Speise-Wunsch-Zettel

Papa will bevorzugt deftige Hausmannskost mit einer ordentlichen Portion Fleisch auf dem Teller, Mama achtet auf ihre Linie und eine ausgewogenen Kost mit viel Grünzeug und Ballaststoffen, Sohnemann durchlebt seine italienische Phase und würde sich am liebsten ausschließlich von Pizza und Pasta ernähren, das sensible Töchterchen wiederum hat ihr Herz für Tiere entdeckt und plädiert für die vegetarische Küche, Nesthäkchen dagegen ist ein Süßschnabel und schwärmt für Mehlspeisen jeglicher Art und Opa lehnt kategorisch kulinarische Besuche aus Griechenland, China oder der Türkei auf seinem Teller ab, wenn er nicht ohnehin ein Verfechter von kaufreundlichen Speisen in breiiger Konsistenz ist...

Die arme Köchin! Soll sie nun drei Gerichte parallel kochen oder sich auf eines beschränken in der Gewissheit, dass es bei Tisch unweigerlich zu unschönen Auseinandersetzungen kommen wird?

Gemeinsame Mahlzeiten

Vor allem die Väter beharren gerne auf der eisernen Regel, dass die Mahlzeiten, wenn immer es möglich ist, bitte in Anwesenheit sämtlicher Familienmitglieder stattzufinden haben. Um des Zusammengehörigkeitsgefühls und der engen Familienbande willen, behaupten sie, um ihre Macht zu demonstrieren, unterstellen die genervten Kinder. Kein Wunder, dass es da bei steigender Personenzahl mit unterschiedlichen Arbeits-, Schul- und Trainingszeiten automatisch zu Konflikten kommt, wenn sich die einzelnen Tagesabläufe nicht mehr koordinieren lassen!

Essenszeiten

Sonntags wird um 9 Uhr gefrühstückt, basta, egal ob sich der Nachwuchs bis in die Morgenstunden vergnügt hat oder nicht! Und das Abendessen findet täglich um 18.30 Uhr statt, weil Mama nach 19 Uhr nichts mehr essen möchte oder Papa hungrig wie ein Bär von der Arbeit kommt. Alle Mann antreten! Egal, ob man mitten im Bioreferat steckt, eigentlich noch gar nicht hungrig ist oder gerade viel Spaß beim Fußball hat.

Halb Sieben essen, vollzählig, pünktlich, täglich. Punkt. Keine Diskussion!

Ungesundes Essen

Während sich der Nachwuchs am liebsten nur von Pizza, Pommes und Hamburgern ernähren würde, sorgt sich die verantwortungsbewusste Mutter dagegen vor allem darum, dass sie selbigen mit genügend Mineralien, Ballaststoffen und Vitaminen versorgt. Sprich Salatberge anstelle eines mickrigen Alibi-Salatblattes im Doppel-Whopper, Vollkornsemmel statt Croissant, Salzkartoffeln statt Fritten. Und Zwischendurch keine Schokoriegel, sondern Obst!

Ausgefallene Mahlzeiten

Vor allem der Nachwuchs würde sich öfters gerne das lästige Frühstück sparen, einerseits, um dafür länger schlafen zu können, andererseits, weil der Magen zu einer derart frühen Stunde jegliche Nahrungsaufnahme zu verweigern scheint und "man einfach nichts hinunter bekommt." Aber Mutti besteht hartnäckig auf die wichtigste Mahlzeit des Tages und holt sich gegebenenfalls die autoritäre Unterstützung des Hausherrns.

Die Hauptmahlzeiten müssen eingehalten werden. Frühstück, Mittag- und Abendessen sind absolute Pflicht! Auch wenn man bei Omas Geburtstagskaffe vier Stück Torte aufgenötigt bekam und zwei Stunden später verständlicherweise immer noch pappsatt ist. Auch wenn man das Sonntagsfrühstück als Brunch vorgesehen und entsprechend üppig gestaltet hat.

Tischmanieren

Vor dem Trinken die Serviette benutzen, die Ellenbogen nicht auf dem Tisch aufstützen, das Nutella-Messer nicht ablutschen, Pommes nicht mit den Fingern essen und bitte die Bestecksprache berücksichtigen, will heißen, am Ende parallel auf den Teller legen, usw.

Gut, den Spruch "mit vollem Munde spricht man nicht" können viele Jugendliche noch einsehen, denn auch sie verzichten liebend gerne auf fliegende Essensbrocken oder unappetitliche Anblicke offener Schnäbel mit vorverarbeitetem Speisebrei, aber bei vielen anderen Regeln fehlt ihnen dann doch (noch) die Einsicht und es kommt deswegen zum Streit.

Essenstraditionen

Alle Jahre Weihnachten gibt es Karpfen und Gans, jedes Geburtstagskind erhält die gleiche Schwarzwälder Kirschtorte von wegen der Gerechtigkeit, freitags gibt es Fisch, mittwochs Innereien, Silvester Fondue, Picknick am Pfingstsonntag, den Sonntagskaffee um 16 Uhr nicht zu vergessen und jeden Samstagabend Hawaiitoast...

Weil es eben schon immer so war und es sich um uralte Familientraditionen handelt. Und wertvolle Traditionen müssen in der heutigen schnellebigen Zeit und oberflächlichen Gesellschaft schließlich bewahrt werden!

Küchendienst

Wer kocht, macht auch sauber. Stimmt, wenn der Koch ein Ausnahmetäter ist.

Stimmt nicht, wenn immer Mama den Kochlöffel schwingt. Dann ist nämlich Arbeitsteilung angesagt und Tätigkeiten wie Tisch decken/abräumen, Spülmaschine ein-/ausräumen und Töpfe spülen sollten ruhig von den "Bekochten" übernommen werden! Wär´ der Köchin gegenüber nur fair...


Vorschläge zur harmonischeren Nahrungsaufnahme:

  • Stellt in eurer Familie eine Liste mit denjenigen Gerichten zusammen, die bei allen gleichermaßen beliebt sind und daher öfter auf den Tisch kommen.

  • Stellt eine weitere Liste mit den jeweiligen Lieblingsmahlzeiten der einzelnen Familienmitglieder auf. Die gibt es dann entweder in regelmäßigen zeitlichen Abständen, zu besonderen Anlässen wie Geburtstag oder als verdiente Belohnung zwischendurch.

  • Stellt einen Küchenarbeitsplan auf, in dem ihr schriftlich festhaltet, wer wann welche Pflichten übernimmt: Abwasch, einkaufen, kochen, Tisch decken, Sonntagsfrühstück, Getränke aus dem Keller holen usw.

  • Wer als einziges Familienmitglied auf eine Sonderform der Ernährung wie Vegetarismus besteht, sollte sich seine Mahlzeiten aus dem normalen Angebot der anderen zusammenstellen (Nudeln, Reis, Kartoffeln, Gemüse, Salat) und sich um die entsprechende Ergänzung (Tofuschnitzel, gebackener Camembert, Nudeln mit Käse gratinieren u.ä.) selber kümmern.

  • Vereinbare mit deinen Eltern eine angemessene Probe- bzw. Lernzeit zur Verbesserung deiner Tischmanieren. Sie sollen dir die Regeln einmalig erklären, aber nicht täglich unter die Nase reiben. Hast du dir den nötigen Schliff erworben, darfst du ihn dann zur Belohnung bei einem gemeinsamen Restaurantbesuch unter Beweis stellen. Nebenbei bemerkt: Tischmanieren sind keine Erfindung und Schikane seitens deiner Eltern, sondern zählen nun mal zu den Spielregeln des zivilisierten gesellschaftlichen Zusammenlebens. Du wirst ihnen später, etwa bei einem Geschäftsessen oder einem Essen mit den Eltern deiner Freundin/deines Freundes, für ihre konsequente Tischsitten-Ausbildung noch dankbar sein, wetten?

  • Setzt euch in einer Art Familienrat zusammen und besprecht eure unterschiedlichen zeitlichen Gewohnheiten und terminlichen Verpflichtungen und vereinbart entsprechende Essenszeiten. Da können sich die Essenszeiten an den einzelnen Wochentagen auch mal unterscheiden oder das eine oder andere Familienmitglied wegen früheren Trainingsbeginns von der gemeinsamen Mahlzeit befreit sein. Grundsätzlich sollten Befreiungen bei bestimmten Anlässen (Kinobesuch mit Freundin) oder verlegte Essenszeiten mindestens zwei Tage vorher angekündigt werden.

  • Wer sich zwischendurch was zu essen aus der Küche besorgt, räumt die Lebensmittel und Geräte, die er dazu benötigt, hinterher auch wieder auf.

  • Wer während des Essens nichts haben möchte, wird nicht dazu gezwungen, bekommt aber später auch nichts mehr.

  • Erarbeitet euch ein Baukasten- oder Tauschsystem, was die ungesunden und die gesunden Mahlzeiten anbelangt. Wenn du brav deine drei Vitamineinheiten gegessen hast, darfst du auch ein Essen der "Roten Liste" (Cheeseburger, Schokoriegel) haben o.ä.

  • Überlegt mal, ob sich hinter euren Streitereien bei Tisch nicht ganz andere Gründe verstecken, andere Probleme, die sich eben in Auseinandersetzungen rund um das Essen äußern? Verweigerst du die gemeinsamen Mahlzeiten vielleicht aus Trotz oder bestimmte Zeiten nur deshalb um länger von zu Hause fortbleiben zu können?


    Ich glaube, mit etwas guten Willen und Kompromissbereitschaft lassen sich für jede Familie Lösungen finden, die alle (Streit-) Parteien zufriedenstellen.

    Schließlich soll Essen ein Vergnügen für Leib und Seele und nicht eine streitträchtige Last sein! Und beim WAS halte dir stets vor Augen, was du deinem Körper zumutest bzw. vorenthältst. Denk mal darüber nach...


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