Ein bisschen Klatsch muss sein...
Gerüchte sind beliebt
Auch Jungen klatschen!
Tratsch-Regeln
"Tom soll mit Lisa Schluss gemacht haben."
"Hast du gewusst, dass Saskia jede Woche zur Kosmetikerin geht?
Man sieht überhaupt nichts!"
"Ich glaube, Jonas steht auf Anne."
"Ich habe gehört, dass Jessica ihren Ralf mit einer anderen
erwischt hat."
"Weißt du schon, dass, Bettina sich für den
Bravo-Girl-Wettbewerb angemeldet hat?"
Wer kennt sie nicht, die
verheißungsvollen Einleitungen: Weißt du schon das Neueste? Hast
du schon gehört, dass...? Hat man dir bereits gesteckt, dass...?
Du wirst nicht glauben, was mir zu Ohren gekommen ist!
Unglaublich, was mir Steffi erzählt hat?
Jene geheimnisvollen Andeutungen, die eine heiße Neuigkeit
ankündigen, meist zu einem pikanten Thema, grundsätzlich zu
abwesenden gemeinsamen Bekannten?
Gerne prominenter Art (Britney Spears plant eine
Nasenoperation), noch lieber jedoch aus unserem unmittelbaren
Umfeld wie Clique, Schule, Verein.
Denn irgendwie macht der Tratsch über Leute umso mehr Spaß, je
näher man an ihnen dran ist.
Darum bevorzugen wir Gerüchte über die eingebildete
Klassenkameradin denen über unnahbare Stars und Sternchen. Weil
wir als Zuschauer einfach näher am Stoff dran sind und die
Weiterentwicklung besser mitverfolgen können. Es sei denn, es
handelt sich um derartig hochkarätige Gerüchte wie
beispielsweise die Liebschaft zwischen unserer braven Steffi und
dem wilden Vogel Agassi. So was Unglaubliches haut uns dann doch
vom Hocker. Das gibt´s doch nicht! Steffi und Andre? Das kann
nicht sein...
Inzwischen hat die Wirklichkeit das Gerücht längst eingeholt und
damit ist es auch schon wieder uninteressant für uns geworden.
Gerüchte haben nun mal eine extrem kurze Lebensdauer.
Schließlich liegt der Reiz an den Klatsch- und
Tratsch-Geschichten gerade darin, dass sie bisher noch nicht
bestätigt worden sind.
Gerüchte kochen - ein beliebtes Hobby
Seien wir doch mal ehrlich, wem von uns macht es keinen Spaß,
ein wenig zu klatschen und zu lästern? Schließlich ist es ein
überaus aufregendes, unterhaltsames, billiges und ungefährliches
Vergnügen, das ein wenig Farbe in unseren grauen Alltag bringt.
Vorausgesetzt, man bleibt fair und
hält sich an einen bestimmten Ehrenkodex und die weiter unten
beschriebenen Spielregeln. Tratsch findet dann seine Grenzen, wo
ich den anderen ernsthaft verletze und irgendwie schädige. Egal,
ob ungewollt, die Reue hinterher kommt leider zu spät. Gut,
letztendlich bleibt es dir überlassen, welche Themen du bei
deinen Klatschgeschichten ehrenhalber und aus rücksichtsvoller
Absicht aussparst. Zu meinen Tabus gehören jedenfalls Gerüchte
über schwere Krankheiten (Krebs, Depressionen, Magersucht),
ernsthafte Familienprobleme (Scheidung, Gewalt, Alkoholismus)
oder unverschuldete Schicksalsschläge (Unfälle,
Arbeitslosigkeit). Eben alles, was für die Betroffenen ohnehin
schlimm genug ist, ohne, dass irgendwelche Lästermäuler noch
Salz in ihre Wunden streuen.
In Ordnung gehen meiner Meinung nach harmlosere
Flüsterbotschaften über menschliche Schwächen (die fünfte Diät
hat nicht geklappt), bestimmte Charaktereigenschaften (der
Schürzenjäger hat schon wieder ´ne Neue), reine Äußerlichkeiten
(Frisuren, Klamotten, Styling) oder Beziehungs-News (X ist in Y
verknallt).
Von wegen Klatsch-Tanten!
Jungen gehen dieser überaus beliebten Beschäftigung übrigens im
gleichen Maße nach wie die Mädchen, auch wenn sie das nie
zugeben würden oder mit beschönigenden Bezeichnungen wie
"Informationsaustausch" zu vertuschen versuchen.
Auch der Tratsch selbst läuft bei Männlein und Weiblein
verschieden ab. Während die Damen lieber im kleinen Kreis die
Probleme anderer Leute durchhecheln, bevorzugen die Herren eine
größere Zuhörerschaft und andere Themen. Sie bevorzugen Klatsch
über Prominente, Lehrer/Chefs, Mitschüler oder Vereinskollegen,
die sie verbal auszustechen versuchen. Dabei fallen sie sich
gegenseitig ins Wort und bemühen sich, mit krassen Sprüchen
möglichst viele Lacher zu erzielen.
Daher sind die Begriffe "Tratschweiber" oder "Klatschtanten"
sind völlig ungerecht!
10 Spielregeln für einen fairen und
gekonnten Tratsch
1. Wecke die Neugier deiner Zuhörer!
Das klappt am besten, wenn du etwas näher an deine(n) Zuhörer
heranrückst (im wahrsten Sinne des Wortes die "Köpfe zusammen
stecken"), eine verschwörerische Miene aufsetzt und dir die
volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicherst. Was automatisch
funktioniert, wenn du deine Stimme auf Flüsterlautstärke senkst
und mit den vielversprechenden Eröffnungsformeln à la "Habt ihr
schon gehört, dass...?" oder "Wisst ihr schon das Neueste von
XY...?" beginnst...
2. Steigere die Spannung!
Höre an der spannendsten Stelle auf, also unmittelbar vor der
entscheidenden Information, und spanne dein Publikum durch eine
kleine Kunstpause auf die Folter, bevor du die Katze endgültig
aus dem Sack lässt. Sobald sie draußen ist, kannst du dich an
den offenen Mündern der Überraschten erfreuen...
3. Halte es mit den Legenden!
Ein Minimum an Wahrheit sollte deine
Geschichte im Kern schon haben! Sonst sind es keine Gerüchte
mehr, die du da verbreitest, sondern gemeine Lügen. Es macht
nämlich schon einen Unterschied aus, ob du sagst, "Felix lässt
auch nichts anbrennen, und das, wo er doch mit Sandra geht",
weil du den betreffenden Jüngling in einem harmlosen Gespräch
mit seiner regelmäßigen Sportpartnerin bzw. einer
Begrüßungsumarmung mit seiner Kusine gesehen hast oder ob er
tatsächlich "näheren Körperkontakt" mit einem dir unbekannten
Mädchen hatte. Oder möchtest du, dass man deinen Vater als
Alkoholiker bezeichnet, nur weil jemand in eurem prall gefüllten
Einkaufswagen einen Sekt-Piccolo gesehen hat?
4. Kennzeichne das Gerücht als solches!
Damit man dich später nicht der üblen Nachrede oder gar
Verleumdung bezichtigen kann, solltest du die Gerüchte, die du
verbreitest, auf jeden Fall als solche kenntlich machen. Indem
du beispielsweise Umschreibungen wählst ("Ich habe gehört..."),
unverfängliche Formulierungen nimmst ("Man sagt, dass ...."),
Modalverben verwendest ("Michael soll Tina einen Korb gegeben
haben") oder Wörter, die klar zeigen, dass noch keine endgültige
Gewissheit über die Meldung besteht ("Es wird gemunkelt,
dass..").
5. Verweise auf die Quelle!
Erfüllt den gleichen Zweck wie der Punkt davor, nämlich dass
man später nicht mit dem Finger auf dich zeigt und dich als
übles Klatschmaul (was du natürlich bist...) beschimpft. Um den
Verdacht von dir zu lenken, der tatsächliche Urheber des
Gerüchtes zu sein, genügen eingestreute Hinweise wie "Ich habe
gestern im Club gehört, dass..." oder eindeutige Quellenangaben
wie "Miriam hat mir erzählt, dass...", letztere natürlich nur,
wenn sie auch der Wahrheit entsprechen, sonst geht der Schuss
nach hinten los...
6. Halte dich an deinen Ehrenkodex!
Mag das Klatschen auch noch so viel Spaß machen, so gibt es da
doch eine unsichtbare Anstandsgrenze, die nicht überschritten
werden sollte. Absolut tabu sind Themen, die sprichwörtlich
unter die Gürtellinie gehen, die betreffende Person verletzen
sowie das öffentliche Waschen von schmutziger Familien-,
Ex-Partner- oder Busenfreundin-Wäsche und das Ausbreiten von
Familiengeheimnissen bzw. -angelegenheiten. Ein Tipp zur
Orientierung für dich: All das, was dir selbst peinlich oder
unangenehm wäre, wenn es wildfremde Leute von dir wüssten,
solltest du von anderen auch nicht weiter tratschen.
7. Halte dich mit Urteilen zurück!
Vor allem, wenn es um Beziehungsgeschichten geht. Gut, du hast
erfahren, dass sich ein Paar getrennt oder ein anderes gefunden
hat. Kommentar à la "Ich habe schon immer gewusst, dass die
beiden nicht zusammenpassen!" oder "Ich möchte bloß wissen, was
er an dieser oberflächlichen Zicke/sie an diesem langweiligen
Typen findet" solltest du dir dabei verkneifen. Denn erstens
werden Außenstehende nie nachvollziehen können, was sich in
einer Partnerschaft wirklich abspielt und zweitens macht dieses
Unerklärliche, Verwunderliche erst das Wunder der Liebe aus.
Halte dich also möglichst eng an die Fakten und überlasse die
Interpretation jedem Einzelnen!
8. Schraub deine Gerüchtezahl nicht zu hoch!
Warum? Na, ist doch klar! Jeden Tag Pizza schmeckt ziemlich
bald ziemlich langweilig. Mit Gerüchten verhält es sich ähnlich.
Zu viele davon lösen Übersättigungsgefühle aus und werden
weniger geschätzt. Außerdem wirkst du mit sparsam dosierten
Top-Stories wesentlich glaubwürdiger. Oder möchtest du dir den
Ruf eines ständigen Plappermäulchens bzw. einer
Dauer-Quasselstrippe zulegen?
9. Verdrehe nicht die Wahrheit aus reiner Effekthascherei!
Du weißt, dass der Bruder des Freundes deiner Schwester eine
Vorladung vors Gericht bekommen hat. Du weißt auch, dass es
lediglich darum geht, dass er als Zeuge eines Verkehrsunfalls
aussagen soll. Was natürlich nicht so spannend ist wie die
vieldeutige Mitteilung "Der künftige Schwager meiner Schwester
steht nächste Woche vor Gericht..." Derartige bewusste
Auslassungen entscheidender Informationen oder Verdrehungen der
Wahrheit um der größeren Sensation willen sind einfach nur mies.
Also, solche linken Spielchen schön bleiben lassen!
10. Wer austeilt, muss auch einstecken können!
Das wirst du sicher nicht so gerne hören: Wenn du ein
bekennender Gerüchtekoch bist, solltest du im Gegenzug die
Tatsache akzeptieren, dass auch über dich diverse Geschichten im
Umlauf sind. Wenn du also die gerechtfertigten Retourkutschen
der anderen nur schlecht einstecken kannst, dann solltest du
dich mit deinem Tratsch lieber etwas zurück halten. Denn
komischerweise werden ausgerechnet über die Leute interessante
News ausgetauscht, die selber welche verbreiten. Umgekehrt
kriegen die Nicht-Lästermäuler kaum etwas ab. Woran das wohl
liegen mag?
Und, hast du die Lust am Lästern immer noch nicht verloren?
Dann pass gut auf, dass du dir dabei die Zunge nicht
verbrennst...!
© 2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright by Eyewire und
MacMillan Inc., verwendet in Lizenz
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