Wie schreibt man einen Liebesbrief (NICHT)?
Liebesbriefe sind doch altmodisch!
Teilst du diese Meinung?
Weit gefehlt!
Liebesbriefe sind in – und das nicht nur zum Valentinstag!
Du hast ja keine Ahnung, was du dir da entgehen lässt!
Die freudige Überraschung, das Rätselraten um den unbekannten
Verfasser, das von Herzklopfen und Glücksgefühlen begleitete
Immer-wieder-lesen, wenn dir eine Liebesbotschaft ins Haus
flattert...
Oder:
Der kribbelnde Spaß beim Ausdenken und
Gestalten des „love letters“, das aufregende und umständliche
Brimborium drumherum und das gespannte Warten auf eine Antwort
oder wenigsten ein winziges Zeichen, in welcher Form auch
immer....
Seufz...! Da werden die Gefühle nicht nur gnadenlos heftig,
sondern auch die Fantasie angeregt, und wenn du Glück hast, auch
mehr...
Na, endlich auf den Geschmack gekommen? Dann ran an die Feder!
Wenn du also
den Pulsschlag deines Herzbuben bzw. deiner Herzdame durch
einen gelungenen Liebesbrief beschleunigen möchtest,
oder,
was noch um Klassen aufregender ist, deinen heimlichen, noch
völlig ahnungslosen Schwarm süßes Kopfzerbrechen und schlaflose
Nächte bereiten möchtest, indem du ihm steckst, dass es da
jemanden gibt, der sich so richtig verknallt hat,
dann solltest du dich schleunigst ans Werk machen,
aber dabei folgende Todsünden tunlichst vermeiden:
1. Würdest du bei einem
Computerausdruck, am Ende gar ein Serienbrief mit
handschriftlich eingesetztem Vornamen, vor Begeisterung an die
Decke springen? Kapiert? Liebesbriefe werden mit der Hand
geschrieben, damit der Empfänger das Entziffern und
Rätseln auch so richtig genießen kann.
2. Ein edler Inhalt verlangt nach einer edlen Verpackung!
Also, statt Kugelschreiber und die zerknitterte Rückseite
deines letzten Aufsatzentwurfs zu verwenden, nimm lieber den
Füller und einen besonders schönen Papierbogen. Briefpapier ist
mittlerweile in sämtlichen Farben und Motiven mit passenden
Umschlägen zu haben!
Oder selber basteln! Da kannst du zwei Fliegen mit einer Klappe
schlagen! Diese Möglichkeit macht zwar etwas Mühe, bedeutet aber
nicht nur mehr Vergnügen für dich, sondern überzeugt den
beeindruckten Adressaten gleichzeitig von der Tiefe deiner
Gefühle...
3. Solltest du den Briefträger als Postillon d´amour
beanspruchen, dann klebe die richtigen Briefmarken drauf!
Oder würdest du als Empfänger Nachporto zahlen wollen? In
diesem Fall könntest du dir wenigstens sicher sein, dass dein
Brief deinen Schwarm in regelrechte Gefühslwallungen versetzt
hat, ob diese Gefühle dann jedoch von der Sorte sind, die du
gerne haben möchtest, wage ich doch schwer zu bezweifeln...
4. Wenn deine Angst vor einem Korb größer ist als dein Wunsch
nach Gewissheit, dann solltest du eine Offenbarungsbrief an
deinen heimlichen Schwarm ohne deinen Absender los schicken und
dich auf einen vorsichtigen Hinweis auf deine Person
beschränken. So schiebst du den schwarzen Peter weiter und hast
nichts zu verlieren.
5. Die persönliche Note
des Schreibers verleiht einem Liebesbrief erst das gewisse
Etwas! Um den Empfänger aber vor hämischen Bemerkungen seitens
der Leute, die den Brief möglicherweise in die Finger bekommen,
zu schützen, solltest du Lippenstiftabdrücke deines Kussmundes
oder dein Parfüm nicht unbedingt außen auf dem Umschlag
platzieren.
Weniger ist mehr! Das gilt vor allem für die Dosierung deines
Duftwässerchens. Oder soll dein Schwarm beim Öffnen des Briefes
vergiftet zusammenbrechen oder bei einem möglichen späteren
Rendezvous mit dir beim Schnuppern an deinem Hals sich übergeben
müssen, da er an die alte „Umnebelung“ erinnert wird?
5. Möchtest du deine Flamme mit besonders tollen Formulierungen
oder selbst geschriebenen Liebesgedichten beeindrucken? Dann
nimm beim Abschreiben nicht unbedingt die alten Handbücher und
Briefe deiner Großeltern als Vorlage oder einen wunderschönen,
aber leider auch allzu bekannten Goethe-Vierzeiler, den du als
dein eigenes Werk verkaufen willst. Beides wird ultrapeinlich
für dich enden.
Und jetzt viel Spaß, den wirst du vor allem in vielen Jahren
haben, wenn du kopfschüttelnd und mit einem verklärten Lächeln
im Gesicht die verstaubten Briefe liest...
© 2000 Anja Gerstberger, Bilder: Copyright by
Corel Draw, verwendet in Lizenz
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