Wenn Eltern sich zoffen - und dann trennen

Verhalten bei Streit der Eltern
Schock: Scheidung!
Falsches Verhalten
Deine Rechte
Tipps zum "Überleben"

Wie du aus eigener Erfahrung weißt, gibt es Streit überall: unter Freunden und Freundinnen, Geschwistern, Schülern, Mannschaftskollegen, in der Clique.

Und leider auch bei den Eltern.

Eine Auseinandersetzung an sich muss ja auch nicht etwas Schlimmes sein, denn es gibt durchaus Situationen, wo ein kurzer Streit durchaus positiv wirken kann, wenn er nämlich eine bestimmte Situation klärt, so dass danach wieder Frieden herrscht und sich die Streithähne trotzdem noch ganz toll haben.

Wenn also der Clinch nichts mit der Beziehung zu tun hat.

Bedauerlicherweise ist das nicht immer so.

Manche Elternpaare fetzen sich in einer unfairen Art, die unter die Gürtellinie geht, indem sie ihrem Partner ganz bewusst weh tun und ihn an seinen empfindlichsten Stellen angreifen. Solch hässlichen "Schlachten" belasten auch die Kinder.

Manchmal durchlaufen Elternehen einfach eine Krise, aber nicht selten steht auch am Ende eines derartigen langen und für die gesamte Familie qualvollen Weg das endgültige Aus: Scheidung.

Klar, dass eine Scheidung eine schmerzhafte Geschichte ist, auch für dich, aber sie bedeutet auch keinen Weltuntergang.

Das Leben geht tatsächlich weiter, manchmal besser als zuvor.

Kennst du diese Situation?

Vielleicht kann dir dann dieser Beitrag ein wenig weiter helfen.


Wie soll ich mich verhalten, wenn sich meine Eltern streiten?

Sicher haben sich deine Eltern auch schon früher mal gestritten. Möglicherweise hinter verschlossenen Türen, damit du nichts mitbekommen hast. Weil es um Dinge ging, die sie vor dir verbergen wollten. Wenn sie heute ihre Konflikte nicht mehr vor dir verbergen, dann kann es daran liegen, dass sie dich inzwischen für alt und verständig genug halten und sie dir nicht länger eine heile Welt vorspielen müssen, die es im wirklichen leben gar nicht gibt. Oder ihre Beziehung ist mittlerweile so verfahren ist, dass sie deren schlechten Zustand nicht mehr länger geheim halten können, da ihre Kinder mit ihren feinen Antennen die vergiftete Atmosphäre geradezu spüren oder sehen, dass sich Mama und Papa nicht mehr anlächeln, küssen oder in den Arm nehmen.

Grundsätzlich solltest du versuchen, dich aus den Streitereien deiner Eltern heraus zuhalten, was natürlich nicht immer einfach ist. Was aber geht, wenn sie dir von ihren ganz intimen Problemen oder den Fehlern des anderen erzählen, um dich auf ihre Seite zu bringen. In diesen Fällen solltest du dich auf keinen Fall in die Auseinandersetzungen deiner Eltern hinein ziehen lassen und Partei ergreifen. Bestimmt hört sich der jeweilige Vorwurf aus der Sicht des zweiten Elternteil wieder vollkommen anders an. Höre beiden zu, wenn sie dir von ihrem Kummer erzählen, das hilft ihnen oft schon bei der Verarbeitung. Erkläre ihnen, dass du beide magst, aber genau deswegen auch kein Urteil fällen oder den Schiedsrichter spielen möchtest! Eine Lösung müssen die beiden schon selber finden!

Anders sieht die Sache aus, wenn der Streit in Gewalt ausartet. Wenn dein Vater in eurer Wohnung randaliert und deine Mutter oder euch schlägt. In diesem Fall musst du dich unbedingt an eine Person deines Vertrauens (Onkel, Lehrerin, Vater der Freundin) wenden und um Hilfe bitten. In besonders schlimmen Fällen am besten gleich die Polizei.



Ich verkrafte das nicht: Meine Eltern wollen sich scheiden lassen!

• Die Scheidung der Eltern ist für alle Kinder ein übler Schock. Wenn die eigene Familie zerbricht, tut das immer weh, selbst wenn die Wochen und Monate vor der endgültigen Trennung eine Art Dauerclinch und wirklich nicht mehr schön waren. Das wird dann gerne verdrängt und das Familienleben in der Erinnerung verfälscht, nämlich als friedlich und schön empfunden.

• Halte dir jetzt folgende Punkte vor Augen, dann kannst du eure Situation vielleicht besser akzeptieren und aushalten:

• Ihr seid kein Einzelfall, denn heutzutage wird im Schnitt jede dritte Ehe wieder geschieden. Eine Scheidung ist beinahe schon was "Normales", aber beileibe kein Skandal mehr! Schau dich mal um! Sicher findest du Bekannte oder Mitschüler, deren Eltern sich ebenfalls haben scheiden lassen, vielleicht schon vor etlichen Jahren. Gerade sie können dich verstehen und dir weiter helfen. Einfach ansprechen...

• Ein sogenanntes "Scheidungskind" zu sein ist kein Makel! Deine Eltern haben sich getrennt oder werden es tun, und du bist als ihr Kind mit betroffen. Aber deswegen bist du noch die gleiche wertvolle und einzigartige Person, die du davor warst. Nicht du hast dich geändert, sondern deine Situation, klaro?

• Plage dich nicht mit Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen, dass du dich falsch verhalten und dadurch zur Scheidung beigetragen hast! Wenn sich Eltern trennen, tragen nie die Kinder Schuld daran, sondern einzig und allein die beiden Ehepartner selbst. Mag sein, dass du schwierig bist und ihnen Sorgen bereitet hast, aber ihre mögliche Unfähigkeit damit umzugehen darfst du nicht dir selber zuschreiben. Außerdem liegen die Gründe bei Scheidungen meist in ganz anderen Bereichen: Oft geht es da um Geld, Lügen, Betrug, Untreue u.ä.


Was du nicht tun sollst, wenn sich deine Eltern scheiden lassen wollen

• Versuche nicht, sie wieder zusammen zu bringen. Das klappt genau deswegen nicht, weil du die Gründe und Zustände, die die Scheidung letztendlich verursacht und ausgelöst haben, nicht beeinflussen kannst. Wenn dein Vater deine Mutter betrogen und verletzt hat, dann wird sie ihre Meinung über ihn nicht ändern, nur weil du es möchtest.

• Spiele deine Eltern in dieser schwierigen Zeit nicht gegeneinander aus! Indem du ihnen "Wahrheiten" steckst, dich als Spion betätigst oder von ihnen bestechen lässt. Du schürst auf diese Weise nur den Hass der beiden aufeinander und outest dich außerdem als eine Person mit einem miesen Charakter.

• Lasse deinen Wut und deinen Schmerz nicht an ihnen aus! Dich an ihnen rächen, sie mit Liebesentzug und Missachtung strafen, Familiengheimnisse in aller Öffentlichkeit ausplaudern oder es darauf anlegen, in der Schule oder sonstwo durch entsprechendes Verhalten negativ aufzufallen, mag dir vielleicht als Ventil dienen oder ein gewisses Maß an Genugtuung verschaffen. Du erreichst dadurch aber lediglich, dass du deinen Eltern ihr derzeit ohnehin nicht leichtes Leben nur unnötig schwerer machst. Willst du das wirklich?

• Überlege: Ist ein Ende mit Schrecken nicht besser als ein Schrecken ohne Ende? Ist eine schmerzhafte Trennung nicht besser als endlose Streitereien, Beschimpfungen, Gebrüll, Türen schlagen u.ä. über Jahre? Wäre das nicht ein zu hoher Preis für eine falsche Familienidylle, eine Selbsttäuschung?


Welche Rechte habe ich bei einer Scheidung?

In der Regel berücksichtigen die Familienrichter bei ihrer Entscheidung, wer von den Eltern das Sorgerecht für die Kinder bekommt, die Wünsche der Jugendlichen über 14 Jahre. Du besitzt also schon so was wie ein Mitbestimmungsrecht. Aber meistens ist das gar nicht erforderlich, da ab 1.7.98 sich viele Elternpaare auf ein gemeinsames Sorgerecht einigen.

Wenn du älter als 14 Jahre bist, kannst du nicht mehr dazu gezwungen werden, den getrennt lebenden Elternteil zu besuchen, wenn du das nicht möchtest.


Wie "überlebe" ich die Scheidung am besten?

Ganz ohne Schmerzen und Blessuren wird die Scheidung deiner Eltern sicher nicht an dir vorüber gehen. Aber sie wird es, und du wirst sie überleben, auch wenn du das jetzt nur schwer glauben kannst.

Einige Tipps, wie´s schneller und leichter für dich geht:

• Lass deine Gefühle raus! Empfindungen wie Hass, Zorn, Verzweiflung, Angst, Niedergeschlagenheit sind in deiner Situation völlig normal und wollen verarbeitet werden. Schlag auf deine Matratze ein, werfe dein Kissen an die Wand, heule Rotz und Wasser oder schreie deine Wut einfach heraus. Das tut niemandem weh, dir aber gut.

• Am besten verstehen dich und deine Probleme diejenigen Leute, deren Eltern sich ebenfalls haben scheiden lassen. Gehe auf sie zu und bitte um ein Gespräch. Kann gut sein, dass sie ein paar gute Tipps für dich auf Lager haben, wie du besser damit klar kommst. Sie können dir von der Zeit "danach" erzählen und dir Mut machen.

• Sprich dich aus und vertraue deinen Kummer einer Person deiner Wahl an: Freundin, Lehrerin, Verwandte, ein Psychologe, die Sozialarbeiterin am Jugendamt oder anonym bei der Telefonseelsorge. Egal wie. Hauptsache dass.

• Lenke dich ab! Gehe deinen Hobbys nach, treibe Sport, triff dich mit Freunden. Dich in dein Zimmer zurückziehen und Trübsal blasen kann zwar im ersten Schock eine Hilfe sein, aber sicher keine Dauerlösung! Dein Leben geht weiter! Mach Dinge, die dir Spaß machen, und vor allem mach sie mit anderen zusammen. Nette Gesellschaft ist jetzt die beste Mittel.

• Ebenfalls nicht angebracht: Falsche Rücksichtnahme. Du hast das Recht auf dein eigenes Leben, auf Spaß, auf Partnerschaft. Gut, vielleicht schmerzt es deine Mutter zu sehen, dass du glücklich verliebt bist, während sie vor den Trümmern ihrer Ehe steht. Aber es wird ihr wenig helfen, wenn du auf dein eigenes Glück mit Verliebtsein und Ausgehen verzichtest, nur um ihr nicht weh zu tun. Wenn du zu Hause hocken bleibst, besteht nur die Gefahr, dass du in deinem Inneren Aggressionen gegen deine Mutter aufbaust, die du indirekt für deine Situation verantwortlich machst. Eines Tages werden diese unterschwelligen Aggressionen dann an die Oberfläche kommen und auf unschöne Weise aus dir heraus brechen. Lass sie lieber gar nicht erst entstehen...

• A propos Liebe: Die Tatsache, dass sich deine Eltern haben scheiden lassen, heißt noch lange nicht, dass es keine Liebe gibt, dass Romantik und glückliche Partnerschaft nur gefährliche und naive Träumereien sind, dass allen Jungen und Männern nicht über den Weg zu trauen ist usw. Bitte keine Pauschalurteile in diese Richtung!

• Grundsätzlich solltest du dir dein eigenes Bild von der Scheidung deiner Eltern machen und nicht ihre Aussagen dazu für bare Münze nehmen, die sind nun mal immer subjektiv. Bestimmt dauert es Jahre, bis du den nötigen Abstand und die entsprechende Reife gewonnen hast, die Geschehnisse eurer Familie objektiv zu betrachten und das sicherlich verzerrte Bild von der Scheidung zurecht zu rücken.



© 2000 Anja Gerstberger