Koedukation - nur Segen oder auch Schaden? Lösung: "Reflexive Koedukation" Wahrscheinlich kriegt ihr es gar nicht mit, aber in der
schulpolitischen Öffentlichkeit werden mit schöner
Regelmäßigkeit kritische Stimmen gegen die Errungenschaft der
Koedukation laut. Vor allem Frauen äußern Bedenken, ob die
inzwischen zur Selbstverständlichkeit gewordene Erziehungsform
wirklich nur Verbesserungen gebracht hat oder ob es nicht wieder
mal an der Zeit wäre, sie zu hinterfragen und gegebenenfalls zu
modernisieren. Da das Thema Koedukation euch direkt betrifft, ohne dass ihr
euch dessen vielleicht bewusst seid, sollte es gerade für euch
Jugendliche eine Auseinandersetzung wert sein. Kann doch gut
sein, dass ihr die vermeintlichen Probleme ganz anders erlebt,
als die Erwachsenen über eurer Köpfe hinweg diskutieren, oder? Ein Grund mehr, weiter zu lesen, sich Gedanken darüber zu
machen und möglicherweise seine Meinung und persönlichen
Erfahrungen zum Thema Koedukation beizusteuern. Der Begriff Koedukation stammt von dem lateinischen Wort
"co-educare" (zusammen erziehen) und bezeichnet die
gemeinschaftliche Erziehung von Jungen und Mädchen. Also
Kindergarten und Unterricht nicht nach Geschlechtern getrennt,
sondern Männlein und Weiblein gemischt. Eben so, wie es der
Großteil von euch nicht anders kennen dürfte. Warum sollte man weiterhin eine unrealistische Situation
aufrecht erhalten, indem man Jungen und Mädchen getrennt
unterrichtet, wenn sie außerhalb der Schule auch zusammen sind? Diese Frage stellten sich auch Bildungspolitiker Deutschlands
und führten Ende der 60er Jahre die gemeinsame Erziehung von
Jungen und Mädchen im Bildungssystem ein. Seitdem ist die
Geschlechtertrennung nur auf wenige Ausnahmen im Sekundarbereich
(5. Klasse aufwärts) beschränkt. So im Sport, weil die
körperlichen Voraussetzungen doch zu unterschiedlich sind, als
dass eine sinnvolle gemeinsame Betätigung, die allen Spaß macht,
sinnvoll und möglich wäre. Außerdem wäre es für Lehrer und
Schülerinnen wohl gleichermaßen ein Problem, ungezwungen mit dem
engen Kontakt bei der Hilfestellung umzugehen. Welche Ziele verfolgt die
Koedukation? • Koedukation hat eine Menge mit Gleichberechtigung zu tun.
Denn der Kerngedanke, der hinter der Einführung der Koedukation
im Bildungssystem stand, war der, den Mädchen die gleichen
Chancen in der Schule zu gewährleisten wie den Jungen. • Die Schule sollte ihren Beitrag dazu leisten, festgefahrene,
so genannte "traditionelle" Rollenbilder (Mann als Ernährer/Frau
als Hausfrau und Mutter) im Privatleben und in der Berufswelt zu
verändern. Genaugenommen in den Köpfen der Gesellschaft. • Auch sollten die Mädchen Zugang zu den typischen
Männerberufen wie Kfz-Mechaniker, Tischler oder
Elektroinstallateur bekommen. • Nicht zuletzt sollten Mädchen beruflich ebenso Karriere
machen können wie die Herren der Schöpfung. • Ein weiterer positiver Aspekt besteht darin, dass das
gemeinsame Lernen und die sich dabei automatisch ergebende
Konkurrenz zwischen den Geschlechtern belebend und motivierend
wirkt. Was sich letztendlich auch für die Jungen auszahlt, wenn
sie gezwungenermaßen mehr Leistung bringen und mehr aus sich
herausholen müssen. Was ihren Erfolgen und Ergebnissen nur
förderlich sein kann. Was hat die Koedukation bisher
erreicht? Von der ehemals benachteiligten Gruppe der Mädchen ist nicht
mehr viel übrig geblieben. Im Gegenteil, sie haben, was die
Bildungsabschlüsse betrifft, mittlerweile im Vergleich zu den
Jungen nicht nur aufgeholt, sondern sie sogar "über"-holt! Einige Zahlen/Beispiele als Beleg dafür: • Seit Anfang der 80er Jahre liegt der Anteil der Mädchen an
der Gesamtzahl der Abiturienten bei mindestens 50%. • Im Gegensatz zu früher, als die Mädchen die Schule oft in
jüngeren Jahren und mit einem niedrigeren Bildungsabschluss als
die Jungen verließen, ist der Anteil der Schülerinnen an den
allgemeinbildenden Schulen von 41,1% auf über 50% gestiegen. • Mädchen zeigen bereits in der Grundschule bessere Leistungen,
erhalten bessere Noten und bessere Abschlüsse als die Jungen,
hätten also auch bessere Zulassungsvoraussetzungen für die
Universität. Welche Vorwürfe bringen die Gegner
der Koedukation vor? Überraschenderweise kommt trotz obiger Erfolge heftige Kritik
von Frauenseite. Hauptsächlich aus dem Lager der Frauenbewegung.
So gibt es inzwischen eine Fülle von empirischen (=auf Erfahrung
beruhenden) Untersuchungen von feministischen
Schulforscherinnen, die zeigen, dass die Koedukation, wie sie an
den Bildungseinrichtungen im Schulalltag umgesetzt wird,
schlechte Nebenwirkungen hat. Und zwar für Mädchen u n d Jungen! • In gemischten Klassen würden Mädchen ein geringeres
Selbstbewusstsein entwickeln, da sie von den aggressiven und
dominanten Jungen unterdrückt werden. • Lehrer und Lehrerinnen schenken den Jungen stets mehr
Beachtung und benachteiligen die Mädchen auch sonst. • Solange Schulbücher und Lehrmaterialien verwendet werden, die
alte Rollenbilder zeigen, kann Koedukation nur begrenzten Erfolg
darin haben, verkrustete Rollenbilder aufzuweichen. • In gemischten Klassen würden Mädchen mehr in die
traditionellen weiblichen Rollen gedrängt als in reinen
Mädchenschulen. Was sich negativ auf ihr Selbstbild, ihre
Interessensausprägung (Sprachen statt Mathe und
Naturwissenschaften), ihre Lebensorientierung (Ausbildung statt
Studium) und Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit
auswirkt. • Jungen würden unter dem Druck und dem Stress, die ihnen ihre
männliche Rolle in der Schule macht, leiden. • Mädchen werden seltener aufgerufen, dafür häufiger
unterbrochen. • Jungen würden die Beiträge der Mädchen häufiger niedermachen
als die ihrer Geschlechtsgenossen. • Das Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern lässt bei
den Mädchen in gemischten Klassen nach und damit auch ihre
Leistungen in den entsprechenden Fächern. • Von den Studentinnen in den naturwissenschaftlichen Fächern
hatten 40% zuvor eine reine Mädchenschule besucht. Lösungsmöglichkeit: "Reflexive Koedukation" Um die Nachteile der Koedukation auszugleichen, ohne gleich das
gesamte Prinzip über den Haufen zu werfen, ist man an
verschiedenen Schulen dazu übergegangen, die "Problemfächer" wie
Chemie oder Physik wieder nach Geschlechtern getrennt zu
unterrichten. Diese Vorgehensweise nennt man auch "Reflexive
Koedukation". Und du? Könntest du dir ein Schulleben ohne Jungs bzw. ohne Mädchen
vorstellen? Kannst du die Vorwürfe der Koedukationsgegner bestätigen? Oder gehst du auf eine reine Mädchen- bzw. Jungenschule und
möchtest von deinen Erfahrungen berichten? Deine Meinung interessiert uns!
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