Klassensprecher

Wichtigtuer, Schleimer oder Partner?

Klassensprecherwahlen laufen meistens höchst zweifelhaft ab.

Am zweiten Schultag nach dem Übertritt in eine neue Schulform befindet man sich noch in der Beschnupper-Phase, soll aber unter wenigen Bekannten und vielen Unbekannten den geeigneten Kandidaten ausfindig machen können.

Oder es werden die Schönste, der Sportlichste, die Beliebteste, der Großspurigste, die Älteste, der Längste oder Leute mit einem ähnlich für das zu besetzende Amt absolut belanglose Merkmal gekürt.

Mit Grausen erinnere ich mich noch an eine Wahl aus meiner eigenen Schulzeit zurück, als der Unsympath schlechthin als Gegenleistung für seine Wahl einen erklecklichen Beitrag fü die nächste Klassenfete in Aussicht stellte...

In diesen Fällen scheinen die Schüler irgendwie nicht ganz verstanden zu haben, worum es bei dem Amt des Klassensprechers eigentlich geht.

Höchste Zeit also, dem Unwissen Abhilfe zu schaffen!

Denn hinter dem Klassensprecher steckt wesentlich mehr, als in vielen Pennälerköpfen an Vorstellungen zu finden ist.


Warum gibt es überhaupt das Amt des Klassensprechers?

• Um den Schülern eine Vermittlersperson zu bieten,

• ein Mitsprache- und Gestaltungsrecht einzuräumen,

• und die Möglichkeit zur Übernahme von Verantwortung zu gewähren.


Welche Rechte und Aufgaben hat ein Klassensprecher?

• Seine Klasse vor Schulgremien (SMV, Lehrerkonferenz) und gegenüber Dritten zu vertreten: Lehrer, Schulleitung, anderen Klassen.

• Dem Klassenleiter die Wünsche, Vorschläge, Meinungen und Sorgen der Klasse bei passender Gelegenheit in angemessener Form darzulegen.

• Bei Problemen Schüler/Schüler, Schüler/Lehrer, Klasse/Lehrer, Klasse/Klasse zu vermitteln bzw. bei der Lösung von Konflikten zu helfen.

• Gegebenenfalls Ordnungsmaßnahmen übernehmen.

• An den Versammlungen der SMV (Schülermitverantwortung) teilzunehmen und sich für die Arbeit der SMV einzusetzen.

• Bei ernsthafteren Problemen und Anliegen, denen er sich alleine nicht gewachsen fühlt, die Hilfe der SMV in Anspruch nehmen.

• Für eine gutes Klima und Zusammenhalt in der Klasse zu sorgen, d.h. auch Außenseiter in die Klassengemeinschaft zu integrieren.


Was ein Klassensprecher nicht leisten muss (auch wenn es die anderen gerne so hätten...)

Entgegen mancher Behauptungen und Wunschvorstellungen gehört es partout nicht zu den Aufgaben eines Klassensprechers

• ... für sämtliche Streiche und von Klassenkameraden verzapften Blödsinn die Verantwortung zu übernehmen, sprich den eigenen Kopf hinzuhalten.

• ... dafür zu sorgen, dass die Klasse ruhig ist. Das ist immer noch Sache der Lehrer!

• ... für Lehrer, die die Klasse aus welchen Gründen auch immer eine Weile alleine lassen, die Störenfriede aufzuschreiben.

• ... ihm bekannte Übeltäter gegenüber den bohrenden Lehrern zu decken.

• ... Annehmlichkeiten wie Klassenparty, Grillfete, Stadtrallye am Wandertag u.ä. zu organisieren.

• ... als Fußabstreifer für uneinsichtige Streithähne und beleidigte Mitschüler herzuhalten.

• ... den Spion für den einen oder anderen Pauker zu mimen.

• ... sich von den anderen mit der hämischen Bemerkung "Schließlich bist du der Klassensprecher!" undankbare Tätigkeiten wie Ordnungsdienst u.ä. aufs Auge drücken zu lassen.

• ... seine eigene Persönlichkeit für sein Amt aufzugeben.


Wie soll der ideale Klassensprecher sein?

Aufmerksam

Um mitzubekommen, was in der Klasse so alles läuft, vor allem die Geschichten im "Untergrund", die nicht auf den ersten Blick sofort auszumachen sind.

Durchsetzungsfähig

Um seine Forderungen und Anweisungen in der Klasse durchsetzen zu können und für die Lehrer überzeugend zu sein.

Engagiert

Um seine Aufgaben möglichst gut erfüllen zu können.

Gerecht

Um zu erkennen, wo beim Verhalten seiner Mitschüler die Ungerechtigkeit und das Mobbing beginnen und entsprechend zu reagieren; um Jungen und Mädchen gleich zu behandeln.

Höflich

Um niemanden vor den Kopf zu stoßen und anerkannt zu werden.

Informiert

über seine Rechte/Pflichten, die jeden Schülers, die der Lehrer.

Konsequent

Um nicht bestechlich und erpressbar zu sein, sondern respektiert zu werden.

Kontaktfreudig

Um einen guten Draht zu möglichst vielen Mitschülern zu haben.

Kreativ

Um Lösungsvorschläge unterbreiten und Anregungen geben zu können.

Mutig

Um sich gegenüber körperlich überlegenen und großmäuligen Mitschülern zu behaupten.

Pflichtbewusst

Um sich für sein Amt als würdig zu erweisen und sich für höhere wie beispielsweise Schülersprecher zu empfehlen.

Sachlich

Um eine Situation richtig analysieren und deinen Standpunkt ruhig vortragen zu können.

Selbstbewusst

Um mit Autoritäten wie Lehrer oder Direktor überhaupt umgehen zu können und auch die Courage aufzubringen, unangenehme Themen anzuschneiden.

Sprachgewandt

Um deine Anliegen verständlich und überzeugend vorbringen zu können.

Unparteiisch

Um Streitereien und Probleme fair beurteilen zu können.

Verschwiegen

Was Geheimnisse und anvertraute Informationen betrifft.

Verständnisvoll

Damit sich alle trauen, ihn auf ihre Probleme anzusprechen und um Hilfe zu bitten.

Zuverlässig

Um als Vertrauensperson für seine Mitschüler glaubwürdig zu bleiben und als Ansprechpartner für die Lehrer ernst genommen zu werden.


Da kommt ´ne ganze Menge zusammen, nicht wahr?

Aber keine Angst, der Charakter, der hier beschrieben wurde, ist natürlich ein Idealfall, irgendwie künstlich, in der Realität nicht vorkommend.

Es geht durchaus noch in Ordnung, wenn bei eurem Klassensprecher eine der obigen Eigenschaften fehlt oder maximal zwei...


Warum werden gleich zwei Klassensprecher gewählt?

Warum gibt es einen Vize-Kanzler?

Warum einen Konrektor?

Warum gab es im alten Rom zwei Konsuln?

Warum gibt es in jeder Stadt mehrere Bürgermeister?

Na, kommste drauf?

Eben. Damit der eine für den anderen einspringen kann.

Im Krankheitsfall, bei Terminüberlastung oder -überschneidung.

Aber auch zur Unterstützung.

Denn geteilte Verantwortung ist halb so schwer...


Möchtest du gerne Klassensprecher werden?

Dann überlege dir vor einer möglichen Kandidatur, ob...

• ... du dich auch wirklich für die Interessen deiner Klassenkameraden einsetzen willst oder ob es dir um deine eigenen geht, nämlich ein begehrtes Amt zu erhaschen und vor den anderen als bewunderter "Häuptling" dazustehen.

• ... du genügend Selbstbewusstsein und Mut mitbringst, den Anforderungen und schwierigen Aufgaben (bei Streitereien vermitteln, bei Lehrern unangenehme Themen ansprechen, Einspruch zu erheben...) des Amtes gerecht zu werden.

• ... deine schulischen Leistungen entsprechend sind, dass du guten Gewissens Zeit und Kraft opfern kannst.

• ... gegebenenfalls dazu bereit bist, Teile deiner kostbaren Freizeit zu opfern, um deinen Pflichten als Klassensprecher nachkommen zu können.

• ... dich bei dem Gedanken an die Lehrersätze "Wer ist in diesem Haufen der Klassensprecher?!" oder "Ich muss mal eben kopieren gehen, der Klassensprecher übernimmt solange die Aufsicht" eine Panikattacke befällt und dir der kalte Angstschweiß ausbricht.


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