Schule der Zukunft: Schulsponsoring

Begriffserklärung

Möglichkeiten praktischer Umsetzung

Grundsätzliche Fragen

Vorteile

Gefahren

Stell dir mal vor:

Jeder Schüler an deiner Schule hätte einen eigenen Computer mit Internetzugang zur Verfügung.

Du könntest dich während der Pause kostenlos an einer Imbissbude bedienen.

Dich würden nur die allerbesten Lehrer unterrichten.

Wie fändest du das?

Super?

Dann könntest du dich sicher auch für das Modell des Schulsponsorings begeistern.

Natürlich gibt es nichts umsonst auf dieser Welt.

Schon gar nicht das Schulparadies.

Welche Gegenleistungen von dir für die oben angedeuteten Segnungen erwartet werden, kannst du weiter unten nach lesen.

Und am Ende des Artikels stelle ich dir die Frage nochmals...


Was ist Schulsponsoring?

Schulsponsoring bedeutet, dass eine oder mehrere Firmen eine Schule finanziell unterstützen und als Gegenleistung Werbung betreiben.

Die Unterstützung kann direkt in Sachleistungen wie Computern, Sportgeräten, Lebensmittel usw. oder indirekt als Geldbeträge erfolgen, über die die jeweilige Schule dann frei verfügen darf.

Im Gegenzug revanchiert sich die unterstützte Schule bei ihrem "Wohltäter", indem sie für ihn auf dem Gelände, im Gebäude sowie bei Schülern und Eltern verschiedene Marketingmaßnahmen durchführt. Welcher Art diese Werbeinstrumente sein können, kannst du weiter unter nach lesen.


Wie könnte Schulsponsoring im Schulalltag aussehen?

Die Palette der Werbemöglichkeiten aus derartigen Geschäftsverbindungen ist breit gefächert: von eher zurückhaltenden, kaum spürbaren Maßnahmen bis hin zu aufdringlichen und regelrecht knebelnden Vorschriften. Wie ein Szenario bei der Umsetzung des Schulsponsoring in der Realität aussehen könnte, zeigen folgende Beispiele:

• Auf dem offiziellen Briefpapier der Schulen wie Einladungen, Elternrundbriefe u.ä. würden sich die Logos der fördernden Firmen befinden.

• Informative Lautsprecherdurchsagen wären stets mit Werbeslogans verknüpft.

• Die Schüler und Lehrer einer Schule würden - ähnlich wie Sportmannschaften - einheitliche Kleidung mit dem Schriftzug des jeweiligen Sponsors und in dessen typischen Firmenfarben tragen.

• Die Wände in den Klassenzimmern und Gängen wären mit Werbetafeln gepflastert, auf dem Pausenhof und am Eingang zum Schulgelände wären Plakatwände und Litfasssäulen mit Werbung aufgestellt.

• Schüler müssten sich nicht um ihr Pausenbrot kümmern, da sie von einem entsprechenden Anbieter unentgeltlich versorgt werden, wobei das kulinarische Angebot sich aber auch nur auf die jeweiligen Waren des Sponsors beschränkt.

• Hefte, Blöcke, Stifte und andere Schulmaterialien bekämen die Schüler umsonst, natürlich allesamt mit den Werbeaufschriften der jeweiligen Firmen versehen.

• Lehrer würden auf einem Art "Transfermarkt" gehandelt und könnten gegen entsprechende "Ablösesummen" und lukrative Vertragsangebote jeweils zu Ende des Schuljahres ihre Arbeitsstelle wechseln.

• Der Schulname würde den Firmennamen beinhalten.

• Die werbenden Firmen stellen ihren Vertragsschulen gleich eine bestimmte Anzahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung.

• Lehrer bekämen Prämien bei extrem niedrigen Durchfallquoten und erfolgreichen Teilnahmen an diversen Schulwettbewerben.

• ...?



Welche grundsätzlichen Fragen wären zu klären?

• Wer entscheidet darüber, mit welchen Firmen die Schule Verträge abschließen soll?

• Welche Laufzeiten sollten die jeweiligen Verträge haben?

• Inwieweit dürfen die fördernden Firmen inhaltlich in das Schulleben eingreifen?

• Bleibt die Schulsprengelpflicht erhalten oder können sie Schüler auf diejenige Schule gehen, die sie von ihrem Image her am stärksten anspricht?

• Wer beurteilt die Lehrer und entscheidet darüber, welche verpflichtet werden und welche nicht?


Welche Vorteile hätte Schulsponsoring?

Für die Firmen

Sie könnten ihre Kunden schon in jungen Jahren an sich binden. Außerdem beeinflussen die Jugendlichen, wie etliche derartige Untersuchungen ermittelt haben, auch die Kaufentscheidungen ihrer Eltern. Bei Anschaffungen für die Familie spricht der Nachwuchs ein gehöriges Wörtchen mit. Vom Auto bis zum Urlaubsort. Dass die Kinder aus ein und derselben Familie verschiedene Schulen besuchen und daher auch von der Konkurrenz umworben werden, müssten sie in Kauf nehmen.

Durch Partnerschaften mit einheimischen Firmen könnte die Region insgesamt gestärkt werden, wovon auf lange Sicht alle Beteiligten etwas hätten.


Für die Kommunen:

Die Städte und Gemeinden als bisheriger Geldgeber der Bildungseinrichtungen könnten sich darüber freuen, finanziell entlastet zu werden, da ein erheblicher Teil der Aufwendungen nun von Firmen getragen werden würde.


Für die Schule

Sie könnten ihren knappen Haushalt gewaltig aufbessern und müssten nicht bei jeder getroffenen Kaufentscheidung gleichzeitig drei andere, mindestens genauso wichtige und notwendige Anschaffungen zurück stellen. Bei technischen Geräten könnten sie sich stets auf dem Stand der Zeit halten und bräuchten nicht wieder zehn Jahre zu warten, bis das Geld für neue Geräte da ist.

Mit einer attraktiven Ausstattung und fähigem Personal könnten sie zusätzliche Schüler anziehen und damit wiederum interessantere Werbepartner.

Nicht zuletzt würde es ihr leichter fallen, so was eine "corporate identity" aufzubauen, d.h. die Personen einer Schule würden sich leichter mit ihr identifizieren und nach außen hin als geschlossene Gemeinschaft auftreten können.


Für die Schüler

Sie bekämen die allerbesten Lernbedingungen: Geräte auf dem neuesten technischen Stand, in ausreichender Anzahl, in großer Vielfalt (v.a. bei den Sportgeräten) evtl. kostenlose Mahlzeiten und Schulbekleidung.

Unter ihnen würde eine größere Gerechtigkeit herrschen, da die Schüler aus wohlhabenderen Familien keinen Vorteil mehr gegenüber ihren weniger betuchten Altersgenossen hätten. Einheitliche Kleidung und gleiche Möglichkeiten für alle ließen das nämlich nicht zu.


Worin liegen seine Gefahren?

• Schulen, die für die Firmen als Werbepartner weniger interessant sind, würden auf der Strecke bleiben und keine Förderer finden: Förderschulen, Schulen in sozial schwachen Stadtteilen, kleine Schulen....

• Die Konkurrenz zwischen den einzelnen Schulen und ihrer jeweiligen Klientel würde zunehmen: Die Schulen mit ihren Verantwortlichen würden mit den anderen um die fettesten Werbeetats und die attraktivsten Firmen buhlen. Die Schüler wiederum könnten gegenüber ihren Kollegen in "gegnerischen" Trikots ein Feindbild aufbauen und aggressiv reagieren. Eine verstärkte Gruppenbildung wäre die Folge.

• Auch die Firmen selbst könnten in ein Gerangel um die begehrtesten Schulen verfallen, bei dem die finanziell schwächeren Betriebe das Nachsehen hätten.

• Die Schüler würden erheblich in ihrer Meinungsfreiheit beschnitten, sollten sie vertraglich an bestimmte Produkte gebunden sein.

• Die werbenden Firmen könnten mehr Einfluss auf die Schule in deren Entscheidungen, was Ausstattung, Themen und Veranstaltungen betrifft, nehmen, als der Schule gut täte. Möglicherweise bestünde auch die Gefahr einer indirekten Kontrolle.

• Die Schüler bekämen ein "eingeschränktes Weltbild" vermittelt, lediglich einen Ausschnitt der tatsächlich gegebenen (Konsum-)Wirklichkeit.

• Bei der Möglichkeit der freien Schulwahl würde es jedes Jahr - je nach der Attraktivität des verpflichteten Sponsors - eine Vielzahl von Wechseln geben.

• Zwischen den Schulen und ihren Geldgebern könnten verhängnisvolle Abhängigkeitsverhältnisse entstehen.


Und du?

Wie gefällt dir die Idee des Schulsponsoring?

Würdest du die damit verbundenen Möglichkeiten begrüßen?

Oder wegen der gleichzeitigen Nachteile doch lieber darauf verzichten?

Noch ist es ja nicht so weit, aber wer weiß...

© 2000 Anja Gerstberger